Achtsamkeit – Wie man mit Gedanken und Gefühlen umzugehen lernt

Ermüdung

Es ist passiert: ich war tatsächlich joggen. Normalerweise bin ich kein Jogging-Fan, aber an jenem morgen wollte ich eigentlich in meinem beengten Zimmerchen ein paar Trainingseinheiten absolvieren, da mir der körperliche Ausgleich in der Kletterhalle derzeit sehr fehlt.

Da ich mich im Laufe dieses Sommers sehr mit Animal-Movement und Locomotion beschäftigt habe, wollte ich dazu einige Übungen machen. Allerdings kam ich sehr schnell an meine Geduldsgrenzen, da man einfach Platz braucht, um diese Art der Übungen richtig ausführen zu können. Während ich so bedrückt herumsaß, warf die Sonne die ersten schüchternen Blicke durch die Wolken und kündigte einen sonnigen Herbstvormittag an. Diese indirekte Einladung nahm ich sofort wahr.

In der Nähe meiner WG befindet sich ein kleiner Waldspielplatz mit Trimm-dich-Pfad, also beschloss ich, das kurze Stück dorthin zu joggen, um mich dort ein bisschen auszutoben. Bereits einige Meter von besagtem Spielplatz entfernt, war Kindergeschrei zu hören. An sich finde ich es natürlich schön, dass sie mit den Kindern draußen in der Natur sind, allerdings durchkreuzte das meinen Plan, weil ich darauf hoffte, ungestört zu sein. Daraufhin beschloss ich, den steilen Berg durch den Wald hinauf zu joggen, um an einen Aussichtspunkt zu gelangen.

Spielende Familie

Es tat wirklich ungemein gut, Lunge und Nase mit frischer Waldluft durchzupusten. Dabei fiel mir jedoch auf, wie gering meine Ausdauer zu Fuß im Vergleich zum Fahrradfahren doch ist. Oben angelangt, begrüßte mich die Sonne mit wärmenden Strahlen und so setzte ich mich und ließ mich von ihr verwöhnen. Während ich so dasaß, konzentrierte ich mich auf meinen Atem und begann eine Meditation.

Bei dieser kurzen Innensicht wurde deutlich: meine Gedanken- und Gefühlswelt ist zurzeit wie ein stürmisches Meer, das sich an die schroffen Felsen der Küste wirft. Mir wurde klar, dass sich in diesem Pandemie-Jahr sehr viel in meiner Gedankenwelt angestaut hat. Jeden Tag prüfe ich meine Nachrichten-Quellen, aber immer weniger dringt wirklich zu mir durch. Das Entsetzen, die Ängste und die zahllosen Bedenken, die mich im Laufe dieser Pandemie mit jeder weiteren Katastrophenmeldung befielen, schwelen nun wie ein unterirdischer Lavasee in meinem Bewusstsein, während sich darüber eine kühle Decke aus Ermüdung gelegt hat.

Jede Schlagzeile, jedes Ereignis und jede Meldung, die noch vor ein paar Monaten einen ganzen Beitrag auf diesem Blog wert gewesen wäre, prallt von dieser kalten Schale der Ermüdung ab. Die Ermüdung kommt einerseits vom Corona-Dauerfeuer aller Medien, aber auch von den zahlreichen Diskussionen und inneren Dialogen, die ich führte, den unzähligen Gedanken, die ich hier kondensiert formulierte und dem scheinbar dennoch unabänderlichen Lauf der Dinge.

Während ich also in Meditation versunken diese kühle Decke anhob, um in das feurige Antlitz des Sees zu blicken, entdeckte ich nicht nur brodelnden Lava, sondern ein stürmisches Meer. Mir gelang es nicht, dieses Meer zu beruhigen, da peitschende Böen die Wogen gegen die Küste trieben. In diesen Winden vernahm ich den Nachhall der zahllosen Stimmen, die mir fortwährend Ängste, Bedenken und Sorgen einredeten. Die mentale Arbeit der letzten Jahre, die mich geistig in eine gewisse Balance gebracht hat, wurde in diesem Jahr gewaltsam beschädigt.

Die negativen Gedanken übernahmen schleichend die Oberhand. Die klagenden und zweifelnden Stimmen wurden lauter und lauter.

Innere Stimmen

Wer ehrlich zu sich selber ist, der kennt diese fast unaufhörlich plappernden inneren Stimmen. Sie flüstern uns Dinge zu, beeinflussen unsere Entscheidungen, kommentieren Ereignisse und springen rastlos von einem Thema zum nächsten:

„Was esse ich eigentlich zu Mittag?“
„Soll ich kochen oder in die Kantine gehen? Ach, Kochen ist doch anstrengend, außerdem gibt es heute Pommes als Beilage“
„Aber Pommes sind doch super fettig!“
„Dann laufe ich eben eine Extra-Runde auf dem Laufband.“
„Aber ich muss doch heute länger Arbeiten und schaff’s gar nicht aufs Band.“
„Wie hieß gleich noch der Sänger von Tokio Hotel?“
„Sein Bruder ist doch mit der Heidi Klum und so.“
„Ach, scheiße, jetzt ist Kaffee auf die Unterlagen getropft.“

Und so weiter, blablabla. Dies waren jetzt Beispiele für sehr alltägliche und unbeschwerte Gedanken. In den letzten Wochen und Monaten sieht die Gedankenwelt vieler Menschen wohl eher düster aus…

Die Stimmen flüstern uns derzeit zu, dass die Rechten nur von der Pandemie profitieren und jetzt Maskengegner für ihre Sache rekrutieren wollen. Oder, dass die Merkel mit einer Erweiterung des Infektionsschutzgesetzes die landesweite Gesundheitsdiktatur vorantreiben möchte. Dabei nehmen diese Stimmen entweder Bezug auf Dinge, die tatsächlich vor sich gehen und dramatisieren sie noch zusätzlich oder sie spinnen sich weitere Möglichkeiten zusammen, die wahrscheinlich aber auch sehr unwahrscheinlich sein können. Wenn es um Sorgen und Ängste geht, haben selbst die unkreativsten Köpfe plötzlich die buntesten Ideen.

Neben diesen weiten Gedankengängen, geben die Stimmen aber auch oft Kommentare zu allen möglichen Situationen ab. Wir lassen ein Glas fallen und es zerbricht. Schon legt die Kommentatorstimme los: „Scheiße! Jetzt ist das Wasser überall. Toll! Hab doch gestern erst gefegt. Jetzt sind wieder überall Scherben. Nachher find‘ ich nicht alle und schneid‘ mir in den Fuß! Wo sind eigentlich meine Hausschuhe? Die hat bestimmt irgendein Mitbewohner geklaut. Ich muss gleich los, die Bahn kommt in zehn Minuten… Ich bin eh schon spät dran!“

Keine Sorge: es hat nichts mit einem psychischen Schaden zu tun, wenn man diese inneren Selbstgespräche führt. Manchmal murmelt man auch etwas vor sich hin, das ist völlig natürlich. Wenn ihr allerdings laute, ausschweifende Dialoge mit nicht anwesenden fremden Personen führt, solltet ihr doch mal bei einem Psychotherapeuten vorbeischauen.

Wenn die inneren Stimmen zum Problem werden

Den inneren Stimmen zu lauschen und ihnen dann und wann auch zu gehorchen, ist an sich nicht verkehrt. Es gibt durchaus einige Aspekte, bei denen der innere Dialog hilfreich, ja sogar notwendig sein kann. Diese inneren Stimmen gehören also zu uns und werden im üblichen Wachzustand auch die meiste Zeit präsent sein. Eine andere Bezeichnung für die inneren Stimmen ist der weniger bedenklich anmutende Begriff „Gedanken“. Im Beitrag „II. Wer und wozu sind wir?“ habe ich unter anderem ausführlich dargelegt, wie aus meiner Sicht die Begriffe „Gedanken“, „Gefühle“ und „Emotionen“ voneinander zu unterscheiden sind.

Wie bei den meisten Dingen im Leben, gibt es dennoch eine gewisse Grenze, ab wann eine Sache anfängt, problematisch zu werden. Bei den Gedanken ist die Bandbreite extrem hoch. Manche Menschen sind stets hoch fokussiert und mit ihren Gedanken bei ihrem aktuellen Handeln. Andere sind eher „verpeilt“, „schusselig“, bzw. „neben der Kappe“ und träumen in der Gegend herum. Dieses Umherirren der Gedanken kann sich derart verselbständigen, dass wir in eine Depression rutschen, psychotische Schocks erleiden, gewalttätig werden oder noch schlimmere Dinge tun und/oder erleiden.

Dazwischen gibt es eine stufenlose Skala, wie sehr unsere Gedanken, d.h. unsere inneren Stimmen unser aktives Handeln direkt beeinflussen oder von etwas völlig anderem reden. Je mehr man über diese Tatsache nachdenkt, desto absurder erscheint es, über das Denken von Gedanken nachzudenken und desto machtloser scheint unser Bewusstsein diesem Stimmensturm ausgeliefert zu sein.

Die gute Nachricht ist jedoch: es gibt viele Mittel und Wege, diese inneren Stimmen zu entschleunigen, zu besänftigen und leiser zu drehen.

Ballerina

Achtsamkeit entwickeln

Der Schlüssel dazu liegt in der Achtsamkeit. Achtsamkeit bedeutet, den Ursprung und den Entstehungsprozess der Gefühle und Emotionen zu entdecken.

In der Terminologie des Buddhismus nennt man das Etwas, was gerade die gelesenen Zeilen hier über die Augen wahrnimmt, den Geist. Der Geist ist eine neutrale Projektionsfläche gedanklicher Vorgänge. Eine Metapher zum Verständnis:

Der Geist ist wie eine weiße Leinwand. Unsere Wahrnehmung mit all unseren Sinnen, zu denen ich aus das „Denken“ zähle, ist wie das Licht eines Diaprojektors, das auf diese Leinwand trifft. Reize wie „Glas geht kaputt“, „Herdplatte ist heiß“ oder „eine schöne Person läuft vorbei“ sind dabei verschiedene Dias, die in den Projektor gelegt werden. Das Individuum, also unser Ich, das die Summe all unserer Erfahrungen darstellt, ist wie die Linse dieses Projektors.

Das Licht des Projektors leuchtet ständig und ständig werden in unheimlicher Schnelligkeit Dias eingelegt und auf die Leinwand geworfen. Je schneller unsere inneren Stimmen plappern und je mehr Eindrücken wir uns aussetzen, desto schneller werden die Dias gewechselt. Irgendwann läuft der Projektor heiß und wir verlieren den Verstand.

Mandala

Bei dieser ganzen Hektik nehmen wir den Ablauf, der zu dem Ergebnis, dem projizierte Bild auf der Leinwand, nicht mehr war. Wir vergessen, dass die individuelle Krümmung und die spezifische Dicke der jeweiligen Linse jedes Dia anders aussehen lässt, als es eigentlich ist. Auf der neutralen Leinwand erscheint dadurch dasselbe Bild durch eine andere Linse unterschiedlich. Wie das Dia tatsächlich aussieht, kann also eigentlich keiner sagen.

Viele „unachtsame“ Menschen denken, sie seien die Leinwand und vergessen dabei die Projektorlinse. Für diese Menschen ist das Bild, das auf der Leinwand erscheint, identisch zu dem Dia, welches in den Projektor gelegt wurde. Der komplexe Prozess, der zu dem Bild führt, welches auf der Leinwand erscheint, ist ihm nicht „bewusst“. Wir denken stets, die einzelnen Schritte dieses komplexen Ablaufs seien alles die eigenen Leistungen, seien alles wir selbst –  dabei ist das sogenannte“Ich“, auf das wir so viel Wert legen, lediglich diese kleine, kostbare und sehr zerbrechliche Linse.

Engel

Nun, da wir um diesen Prozess theoretisch wissen, können wir ihm in der Praxis auf die Spur gehen. Ein praktisches Beispiel einer Reaktionskette:

  1. Euch fällt die Kaffee- oder Teetasse um = Das Dia wird eingelegt.
  2. Ihr wisst, dass die Flüssigkeit eurem Schreibtisch und euren Geräten Schaden anrichten kann, dass ihr alles aufputzen müsst und dass euer Getränk leider verloren ist = Das Dia-Bild wird vom Licht des Projektors durch die Linse geworfen.
  3. Ihr beurteilt die Situation entweder dramatisch, gelassen, humorvoll oder wütend = Das Bild erscheint auf der Leinwand.

Es erfolgt nun die körperliche Reaktion in Abhängigkeit des Bildes, welches auf der Leinwand erscheint. Ist es panisch, agieren wir hektisch. Ist es nüchtern, bewegen wir uns zielstrebig. Ist es unbeschwert, lachen wir erstmal über unser eigenes Ungeschick. Erkennen wir jedoch, wie es zu diesen Reaktionen gekommen ist, dann können wir auch daran arbeiten, diese Reaktionen aus eigener Kraft zu ändern. Achtsamkeit bedeutet also einerseits, Gefühle und Gedanken nicht mit dem „Ich“ zu verwechseln und andererseits, den gegenwärtigen Augenblick trotzdem vollständig wahrzunehmen.

Mandala

Die eigene Entscheidungskraft erkennen

Wenn etwas geschieht, sei es durch euer eigenes Zutun, euer Ungeschick oder ganz ohne euer Einwirken, dann sorgt das Gesetz der Zeit dafür, dass ihr daran nun nichts mehr ändern könnt. Ihr könnt nur reagieren. Diese Reaktion liegt aber nicht in dem Ereignis selbst, sondern ist gänzlich eure eigene Sache.

In dem oben beschriebenen Ablauf ist es also vor allem der dritte Punkt, der ganz in eurer Hand liegt. In jedem Moment seid ihr es, die entscheidet, wie ihr reagiert. Ist Etwas bereits geschehen, könnt ihr daran nichts mehr ändern. Wie leicht oder schwer euch die Entscheidung fällt, d.h. wie gebunden ihr an eure Affekte und Spontanreaktionen seid, das hängt ganz davon ab, wie ihr eure Linse geschliffen habt.

Es ist also der zweite Schritt in der Reaktionskette, den ihr durch gewisses Achtsamkeitstraining nachhaltig verändern könnt. Wie sieht dieses Achtsamkeitstraining aus?

Der erste Schritt ist, den oben beschriebenen Ablauf zu erkennen und die Ansatzpunkte für eure Entscheidung zu lokalisieren. Intuitiv fördert ihr eure Achtsamkeit, indem ihr euch beobachtet, wie Gefühle zu Emotionen heranreifen, wenn euch etwas passiert. Wenn ihr euch oft genug dabei beobachtet, wenn ihr achtsam und bewusst seid, dann erkennt ihr irgendwann diese kurze Lücke, die sich zwischen der Wahrnehmung einer Sache und eurer Reaktion darauf auftut.

In dieser Lücke liegt die Möglichkeit, eure Reaktionen zu wählen. In dieser Wahl liegt die Kraft, euren Alltag aktiv zu gestalten. Es ist diese Entscheidungskraft, die jeder und jedem innewohnt und nur darauf wartet, entdeckt und gefördert zu werden.

Achtsamkeit fördern

Neben dieser intuitiven Form der Achtsamkeitsförderung gibt es ein zentrales Mittel, um die „Lücke zwischen den Gedanken“ besser zu erkennen. Das Stichwort ist „Meditation“. Wer hier innerlich zusammenzuckt, weil ihr oder ihm das Wort zu religiös-esoterisch anmutet, der urteilt voreilig. „Meditation“ heißt nämlich schlicht, die „Lücke zwischen den Gedanken suchen“. Viele assoziieren „Meditation“ mit dem Buddhismus oder dem Hinduismus und tun es als esoterische Praxis ab.

Tatsächlich ist der Begriff „Meditation“ aber viel umfassender zu verstehen. Wenn ein Uhrmacher oder ein Goldschmied hochkonzentriert mit seinen filigranen Teilen arbeitet, wenn eure Omi gerade für euch Socken strickt und völlig in ihrer Wolle versunken ist, wenn ein Formel-1-Fahrer in wahnwitzigem Tempo über die Rennstrecke rast, wenn eine Abfahrt-Skifahrerin sich einen steilen Berg hinunterwirft, dann sind sie allesamt in einer Form des meditativen Zustands.

Eule

„Meditation“ kann also auch heißen, dass man einer Tätigkeit nachgeht und mit seiner gesamten Aufmerksamkeit bei ebendieser Handlung ist. Meditation, Achtsamkeit, Bewusstsein und Konzentration benötigen allesamt eine Form der ungeteilten Aufmerksamkeit.

Achtsamkeit bedeutet also Aufmerksamkeit, die sowohl nach außen aber auch nach innen in die eigene Gedankenwelt gerichtet sein kann. Manche Menschen sind allerdings völlig von ihrer Außenwelt gefesselt und haben ständig das Smartphone vor der Nase. Andere sind so in ihren Gedanken gefangen, dass man mit ihnen kein längeres Gespräch führen kann, weil sie gedanklich ständig abdriften. Auch hier ist es das goldene Mittelmaß, das angestrebt werden sollte.

Wir können also bei einer Konzentrationstätigkeit unsere Aufmerksamkeit fördern. Findet Dinge, die euch Spaß machen und gleichzeitig euren Geist fordern! Viele haben bereits solche Hobbys, die sie mit Leidenschaft verfolgen. Manche gehen nach der Arbeit joggen, spielen ein Instrument, malen, basteln, lesen singen oder gehen einfach raus in die Natur, wobei sie sich völlig in diese Tätigkeiten hineinfallen lassen.

Wenn wir allerdings nach getaner Arbeit nur auf dem Smartphone rumwischen oder uns vor den Fernseher setzen, dann bietet das vielleicht eine körperliche, aber keine geistige Erholung. Wenn wir uns den ganzen Tag unkontrollierten geistigen Einflüssen aussetzen, dann füttern wir die Stimmen mit Gesprächsstoff und die Gedanken flattern ziellos in der Gegend herum. Dies strengt enorm an, auch wenn sich das stumpfe Gewische auf dem Smartphone wie Entspannung anfühlt. Es ist Ablenkung, aber keine Erholung.

Die Methode der Achtsamkeitsmeditation

Wer allerdings offen dafür ist, die wirkungsvolle Methode der Achtsamkeitsmeditation einmal auszuprobieren, dem empfehle ich folgende Einsteigerübung:

Macht es euch zunächst bequem. Am besten setzt ihr euch möglichst aufrecht auf ein gutes Kissen auf dem Boden. Wenn ihr allerdings aus irgendeinem Grund nicht auf dem Boden sitzen könnt, könnt ich euch auch auf einen Stuhl oder ähnliches sitzen. Für Einsteiger ist es ratsam, die Augen für diese Übung zu schließen. Versucht, so gut es geht natürlich durch die Nase zu atmen, ohne die Atemzüge zu kontrollieren.

Werden sie lang und tief, lasst sie lang und tief sein. Sind sie flach und kurz, ist auch das in Ordnung. Konzentriert euch nun auf eure Nasenspitze. Wenn ihr atmet, dann spürt ihr, wie der Luftstrom durch die Nase hinein und hinaus fließt. Konzentriert euch auf dieses Gefühl. Wenn ihr eure Nasenspitze fühlt, dann beginnt zu zählen. Bei jedem Atemzug, den ihr tut, zählt ihr weiter. Versucht dabei, eure Aufmerksamkeit die ganze Zeit auf eure Nasenspitze zu richten.

Wenn eure Gedanken abdriften, dann beginnt ihr das Zählen von vorne. Das Zählen soll euch zeigen,  wie lange ihr eure Aufmerksamkeit ungebrochen auf eine ganz bestimme Sache fokussieren könnt. Zu Anfang ist es sehr mühsam und ihr werdet vermutlich nicht weiter als bis 3 kommen, bis ein neuer Gedanke durch euren Kopf huscht. Dies ist völlig normal. Lasst euch nicht frustrieren. Die Lernkurve ist wirklich sehr steil. Wenn ihr das zweite Mal diese Übung macht, werdet ihr schon bis 5 oder 6 kommen.

Wenn ihr 10 Atemzüge eure Aufmerksamkeit bündeln könnt, dann ist das schon ein sehr gutes Ergebnis. Versucht es! Wie lange könnt ihr wirklich konzentriert bleiben?

Wichtig bei dieser Übung ist, dass ihr nicht versucht, eure Gedanken aktiv wegzuschieben. Wenn Gedanken euch beim Zählen unterbrechen, dann lasst sie kommen, aber lasst sie dann auch wieder gehen. Schiebt sie nicht weg und zieht sich nicht zu euch heran, sondern lasst sie ihre Bahnen ziehen. Es ist wie bei einer Slackline oder einem Schwebebalken. Kommt ihr ins Wanken, dann hilft es nicht, sich in die andere Richtung zu werfen. Sondern ihr sollt die Füße einfach wieder aufsetzen und in eure Mitte zurückfinden. Lasst den Frust und die Wut über euer Unvermögen einfach mit den Gedanken davon ziehen.

Wie Achtsamkeit ein glücklicheres Leben ermöglicht

Diese Übung kann schon als Meditationspraxis gesehen werden. Wenn euch das Wort „Meditation“ nicht gefällt, dann könnte man dies auch als einfache Atemübung bezeichnen. Das klingt etwas neutraler. Der Mehrwert dieser Übung ist enorm. Ihr werdet sehr schnell bemerken, wie ihr präsenter in der Gegenwart seid. Auch bei eurer beruflichen Tätigkeit werdet ihr spüren, wie leicht es euch plötzlich fällt, nicht durch hüpfende Gedanken von eurer Aufgabe abgelenkt zu sein.

Jede Tätigkeit ist umso anstrengender, je abgelenkter wir sind. Darum hat diese Übung einen direkten Effekt auf eure Energie. Ihr werdet weniger erschöpft und angestrengt sein.

Bäume

Um den Bogen zum Anfang zu spannen: die inneren Stimmen, unsere Gedanken, werden durch diese Übung beruhigt, entschleunigt und als das entlarvt, was sie sind: vergänglich und fiktiv.

Mit dieser Übung und/oder anderen Konzentrationstätigkeiten schleifen wir die Linse des Diaprojektors, sodass wir immer besser darin werden, unsere Gedanken und Gefühle zu beobachten, zu entlarven und die Dinge ungetrübt wahrzunehmen. Haben wir diese Fähigkeit erlernt, können wir uns nun jederzeit dazu entscheiden, wie wir auf eine Sache reagieren.

Dies gilt vor allem für negative Dinge, aber auch für positive Dinge. Wenn wir uns von positiven Gefühlen zu stark einnehmen lassen, dann kann dies ebenfalls zum Problem werden. Wenn wir beispielsweise Genussmittel oder Drogen zu uns nehmen, werden die Gedanken mit positiven Gefühlen überflutet. Das ist auf die Dauer nicht gesund. Denn wenn der Moment dieser Flut vorbeizieht, reißt dies ein großes Loch auf, in das wir emotional hineinfallen. Dies ist eines der zentralen Gründe, weshalb viele Drogen ein so hohes Suchtpotential haben: wir verknüpfen starke positive Gefühle mit einem Mittel, das uns aus dem emotionalen Tal wieder schlagartig nach oben zieht.

Je stärker das Glücksgefühl ist, desto tiefer fallen wir danach jedoch wieder. Jede und jeder kennt das Gefühl, wenn man stark verliebt ist und plötzlich verlassen wird. Nirgends fühlen wir diesen Fall wohl stärker.

Wenn wir positive Gefühle zu sehr mit Dingen oder Personen verknüpfen, dann ist eine Enttäuschung vorprogrammiert. Alles ist vergänglich. Ob es sich um eine Beziehung, ein neues Auto, eine Party, ein Eis oder eine Lasagne handelt: es kommt der Zeitpunkt, an dem diese Sache ein Ende findet.

Dies bedeutet nicht, dass wir uns über nichts mehr freuen dürfen. Viele verwechseln Gleichmut mit Gleichgültigkeit. Wenn man gleichmütig ist, dann spürt man jedes Gefühl voll aus, identifiziert sich aber nicht damit, weil man in dem Bewusstsein lebt, dass dieser Moment endlich ist. Ist man hingegen gleichgültig, so bleibt unser Gemüt unbewegt, egal welche Eindrücke uns begegnen.

Ängste und Sorgen überwinden

Dieser Text ist vor allem Mahnung an mich selbst, die Ängste und Sorgen, die sich in meinem Inneren angestaut haben, anzugehen und sie schrittweise abzubauen. Ich glaube jedoch, dass viele Menschen derzeit Ähnliches durchmachen, wenngleich sich die Sorgen und Ängste unterscheiden mögen.

Meines Erachtens ist es aber wichtig, die Augen nicht vor der Realität zu verschließen. Einfach alle Nachrichten auszublenden und den Vorgängen dieser Zeit keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken, ist fatal. Wir erleben derzeit eine gigantische Umwälzung der Geschicke dieser Welt. Wenn wir dabei nicht wachsam sind, dann nehmen diese Geschicke eine Richtung, die wirklich ungemütlich und wenig wünschenswert für alle sein werden.

In Deutschland leben wir noch in einer Demokratie. Demokratie erfordert aber Eigenverantwortung und eine gewisse politische und wirtschaftliche Bildung, die uns jedoch von den Stellen, die dafür eigentlich verantwortlich sind, systematisch vorenthalten wird. Diese Vorenthaltung ging soweit, dass wir uns mehrheitlich kommentarlos viele demokratische Grundrechte abnehmen lassen, ja freiwillig abgeben, für die vor ungefähr 70 Jahren unglaublich viel Blut vergossen wurde.

Soldat

Für einen positiven Verlauf der menschlichen Gesellschaft ist es aus meiner Sicht zwingend notwendig, sich den Geschehnissen voll bewusst und zugleich frei von Angst und Hass zu sein. Ängste und Sorgen zu überwinden heißt nicht, den Kopf in den Sand zu stecken oder die Augen zu verschließen. Wer wirkliche Empathie in sich trägt, der kann sich ohnehin nicht vollständig gedanklich vor den Geschehnissen dieser Zeit isolieren.

Es ist die Kunst des guten Lebens, mit offenen Augen und offenen Herzen durch die Welt zu gehen und dabei mutig und guter Dinge zu sein.

Lasst uns gemeinsam an einer besseren Zukunft arbeiten und uns nicht in Lager spalten, aufeinander hetzen und in Angst gefangen nehmen!

Der Weg dorthin beginnt in deinem Inneren!

Fang jetzt damit an, ihn zu beschreiten!


von Marco Lo Voi

Nichts verpassen?

Jetzt den Newsletter abonnieren und immer über neue Beiträge informiert werden!

Oder folge Exploring Roots auf:

📷 INSTAGRAM

📱Telegram

📖 Facebook

5 Gedanken zu “Achtsamkeit – Wie man mit Gedanken und Gefühlen umzugehen lernt

  1. Pingback: Gedanken zu: Wie wollen wir leben? – Exploring Roots

  2. Pingback: Wenn die Pandemie endet – Ideen für einen gesellschaftlichen Wandel – Exploring Roots

  3. Pingback: Von der Selbsterkenntnis zum Selbstvertrauen – Teil 1: Selbsterkenntnis – Exploring Roots

  4. Pingback: Die Quelle der Glückseligkeit | Exploring Roots

  5. Pingback: Die Quelle der Glückseligkeit | Exploring Roots

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s