Karma – Eine Definition

Ein Modewort

Mittlerweile ist das Wort Karma in aller Munde. Man liest es auf Shirts, auf Titelbildern in Facebook, man solle Karmapunkte sammeln, that’s Karma, bitch und ähnliche Aussprüche sind gang und gäbe. Allerdings können die Wörter Schicksal, Zufall und Karma in einem Zusammenhang auftauchen, wobei übergangen wird, dass sich alle drei gegenseitig ausschließen.

Daran erkennt man die Unschärfe, mit der die einzelnen Begrifflichkeiten verwendet werden. Im Folgenden soll ein bisschen Licht in die Bedeutung und Herkunft des Begriffs Karma gebracht werden. Zudem werde ich kurz darlegen, wie sich das karmische Prinzip meines Erachtens auf unser aller Leben auswirkt.

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Schicksal, Zufall oder Karma?

Es erscheint mir praktisch, zunächst zu beschreiben, was Karma meiner Ansicht nach nicht ist. Betrachten wir zunächst das Wort Schicksal. Der Duden gibt folgende Definition:

  1. von einer höheren Macht über jemanden Verhängtes, ohne sichtliches menschliches Zutun sich Ereignendes, was jemandes Leben entscheidend bestimmt
  2. höhere Macht, die in einer nicht zu beeinflussenden Weise das Leben bestimmt und lenkt

Ich finde diese Beschreibungen schon sehr passend. Bedeutung 1. beschreibt das Prinzip des Schicksals: Das Schicksal ist also ein vorgefertigter Ablauf, den der Mensch mit seinen irdischen Möglichkeiten nicht beeinflussen kann. Es ist also eine Form göttlicher Instanz oder aus atheistischer Perspektive vielleicht eine bloße Vorsehung ohne bestimmte Quelle, die diesen unveränderbaren Ablauf der Menschheit auferlegt.

Bedeutung 2. bezeichnet die Instanz, nicht das Prinzip. Man könnte es auch die allmächtige Fügung nennen, die amorphe Zukunft, welche jeden erwartet, der ohne eine bestimmte höhere Macht lebt.

Was hingegen ist nun Zufall? Aus meiner Sicht ist der Zufall das genaue Gegenteil des Schicksals. Ein Schicksal setzt voraus, dass es einen festen Ablauf gibt, den man nicht beeinflussen und nicht vorhersehen kann.

Der Zufall hingegen geht nicht von einem festen Ablauf aus. Er betrachtet jedes einzelne Ereignis als unabhängigen Tatbestand. Man geht also durch den Tag und Dinge geschehen ohne bestimmte Quelle und ohne Logik. Wenn Etwas ohne Quelle und ohne Logik passiert, kann man es nicht vorhersehen und daher auch nicht beeinflussen, was den Zufall wieder mit dem Schicksal verwandt erscheinen lässt. Allerdings ist das grundlegende Prinzip ein anderes.

Ein Vergleich: Fußball und Basketball scheinen verwandt, da beides Ballsportarten sind. Aber ich glaube jeder, der beides zumindest ein Mal gespielt hat, wird sagen, dass beide nicht wirklich viel miteinander zu tun haben. So ist es mit dem Schicksal und dem Zufall ebenfalls. Sie beide haben etwas Grundsätzliches gemeinsam, unterscheiden sich dennoch klar voneinander. Es stehen sich also chaotische, fragmentarische Vorgänge und gottgleiche Fügung gegenüber.

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Ursache und Wirkung

Im Folgenden beziehe ich mich weitestgehend auf die buddhistische Sichtweise des karmischen Prinzips.
Durch das ansteigende Interesse an der fernöstlichen Tradition wurden verschiedene Begriffe aus diesen Philosophien für unseren Wortschatz entlehnt. Naheliegenderweise zunächst das Wort Buddha, was durch einseitigen Gebrauch seine ursprüngliche Bedeutungstiefe eingebüßt hat. Mehr dazu in „Über die Polarität des Menschen„. Ähnliches ist dem Begriff Karma widerfahren.

Wenn man den Buddhismus näher betrachtet, dann fällt einem recht schnell sein logischer Aufbau, seine verschiedenen Klassifizierungen auf. Es gibt beispielsweise die 4 edlen Wahrheiten, den edlen achtfachen Pfad oder die 6 Daseinsbereiche. So verhält es sich auch mit dem Prinzip, was unter den Begriff Karma fällt. Das, was das karmische Prinzip beschreibt, ist hier im Westen ebenfalls seit über 2000 Jahren bekannt und bis heute aktuell.

Die alten Griechen haben es bereits erkannt und damit eine der zahlreichen Grundlagen der modernen Physik gelegt. Allerdings führten sie dafür den Begriff Kausalität ein. Der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Kausalität und Karma lässt sich auf folgende Formel stark vereinfacht herunterbrechen: Ursache und Wirkung. Jeder Vorgang benötigt eine Quelle. Karma oder das karmische Prinzip ist also übersetzt, das Prinzip oder Gesetz von Ursache und Wirkung.

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Karma sammeln

Wenn Karma nun ein Prinzip umschreibt, wie soll man dieses nun ansammeln? Wie soll man gutes oder schlechtes Karma haben, wenn es sich doch um ein Gesetz handelt? Ab hier wird es ein wenig abstrakt, aber keine Bange. Ein guter Freund hat mir das Prinzip anhand einer Metapher mit einem Schlag klar gemacht:
Zunächst ist zu sagen, dass es eigentlich kein positives/gutes oder negatives/schlechtes“ Karma geben kann. Diese Kategorien sind relativ und damit nicht auf eine Gesetzmäßigkeit anwendbar. Karma ist im Wesen neutral, die Ursache und die Wirkung können jedoch gute“ oder schlechte“ sein.

Nochmal: Das karmische Prinzip ist ein Mechanismus. Ein Mechanismus, der stets gleich funktioniert, egal ob die Quelle eine negative oder eine positive ist. Insofern kann man schon sagen, dass man positives oder negatives Karma sammelt“, aber eigentlich ist dieses Sammeln“ nur ein Teil von dem, was dieses Gesetz beschreibt.

Der geladene Bumerang

Ich nenne die Metaphorik, mit der mein guter Freund mir dieses Prinzip verdeutlicht hat, der geladene Bumerang“. Im Buddhismus sagt man, man formt seine Umwelt mit Körper, Rede und Geist. Das heißt nicht nur Taten(Körper) haben eine Auswirkung, sondern auch deine Gedanken(Geist) und deine Worte(Rede). Insofern verstehe ich unter Handlung“ neben der körperlichen, auch die sprachliche und die gedankliche.

Zur Metapher: Jede Handlung – ob positiv oder negativ – ist wie ein positiv oder negativ geladener Bumerang, den wir in unsere Umwelt schleudern. Da wir fortlaufend denken, manche auch fortlaufend reden und fortlaufend Dinge tun, schleudern wir unzählige dieser geladenen Bumerangs in jeder unserer Lebenssekunden in unsere Umwelt und formen sie damit.

Da wir um das Wesen eines Bumerangs wissen, wissen wir auch, dass dieser irgendwann wieder zu uns zurückgeflogen kommt. Man könnte nun also dieses fortlaufende Bumerangschleudern als Karma sammeln“ bezeichnen. Wie in dem Sprichwort Wir ernten, was wir sähen“ kommt der Moment, in der dieser Bumerang zurückkehrt und wir unser Karma „ernten“ – es widerfährt uns etwas Leid- oder etwas Heilbringendes.

Wir wissen nun um den Vorgang des Karmasammelns“, was wir allerdings nicht wissen, ist, wie weit wir den Bumerang wegschleudern. Das heißt: Wir wissen nicht, wie weit in der Zukunft die Wirkung einer Ursache liegt.

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Ungerechtigkeit?

Ab hier wird es ungemütlich. Wer sich bisher dachte schön und gut, Karma, aha, feine Sache, logisch“, der kommt jetzt vielleicht an seine Grenzen. Was ist mit augenscheinlicher Ungerechtigkeit?

Extrembeispiel: Ein  Neugeborenes stirbt noch bei der Geburt. Ein Kind  kommt in einem Kriegsgebiet zur Welt und verliert im zartem Alter seine Familie bei einem demokratischen Bombenhagel. Ein Kind wird mit einer Behinderung geboren. Das alles erscheint äußerst ungerecht, wenn doch diese Menschen nicht einmal die Chance hatten, gute oder schlechte Handlungen auszuführen.

Was nun? Wie passt das ins Bild? Mit einem westlich geprägten Blick auf diese Sachlage ergibt es schlicht und ergreifend keinen Sinn. Versetzt man sich allerdings in die Lage eines Buddhisten oder eines Hindu, dann sieht die Sache völlig anders aus. Um das karmische Prinzip zu einer endgültigen Gesetzmäßigkeit zu machen, darf man Leben und Tod nicht linear und endlich betrachten, sondern muss es als einen Kreislauf sehen. Nur so wird aus einer augenscheinlichen Ungerechtigkeit eine Wirkung, deren Ursprung nicht in diesem Leben liegt.

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Übergang

Wer nicht an einen Kreislauf aus Leben und Tod glaubt, dem erscheint das karmische Prinzip als unvollkommen und das ist ja auch logisch. Wer nun aber vom Begriff Karma überzeugt ist und danach lebt, der sollte sich ernsthafte Gedanken machen, ob er wirklich an Wiedergeburt glaubt. Wenn dem nicht so ist, wird er oder sie eines Tages vor einer entscheidenden Prüfung stehen, die eine ernste Glaubenskrise mit sich bringen wird.

Wie funktioniert nun diese Spätwirkung? Beim Übergang von einem Leben über den Tod in das nächste Leben, ist es wie nach einem Traum. Wir entschlummern des Abends langsam, träumen, erwachen des Morgens und können uns nicht an den Moment des Einschlafens und oftmals auch nicht an unsere Träume erinnern, es sei denn wir arbeiten an unserem Traumgedächtnis.

Und so ist es bei der Wiedergeburt. Der Vorgang des Einschlafens ähnelt sehr dem Vorgang des Sterbens. Die Nahtodforschung hat das bestätigt, was buddhistische Lehrmeister schon vor mehr als 2000 Jahren gesagt haben. In unserem neuen, nächsten Leben können wir uns nicht mehr an unser altes Leben erinnern, ähnlich wie mit den Träumen.

Diejenigen, die aber in jahrelanger Übung ihren Geist soweit geschult haben, können nicht nur den Zeitpunkt ihres Todes voraussagen, sie können sich im nächsten Leben auch an ihr vergangenes erinnern.

Und hier kommen wir zum entscheidenden Punkt: Wir verlieren zwar all unsere Erinnerungen, was wir allerdings nicht verlieren, ist unser Karma. Unser Karma bestimmt, was mit unserem Geist nach dem Tod geschieht. Das Karma bestimmt den Pfad, den unser Geist nimmt, nachdem er unseren alten Körper verlassen hat. Und da wir nun wissen, dass der Zeitpunkt nicht bestimmbar ist, wann unser Karma gereift“ ist, man nun aber die Unendlichkeit in beide Richtungen der Zeitachse annimmt, dann verstehen wir augenscheinlich ungerechte Vorgänge.

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Hoffnung

Verzweiflung ist dennoch nicht der richtige Weg. Wir tragen nun also stets die Summe an Karma aus all unseren vergangenen Leben mit uns herum und kreieren fortlaufend neues. Es gibt allerdings die Möglichkeit, negatives Karma, was sich eventuell in vergangenen Leben angesammelt hat, zu bereinigen. Wer ein sogenannter Pechvogel ist, der sollte nicht Verzagen und nicht weiteres schlechtes Karma ansammeln, indem er sich schlecht benimmt, weil ihm Schlechtes widerfährt.

Man sollte das Gegenteil tun und zumindest für seine Umwelt und sein nächstes Leben eine möglichst positive Grundlage schaffen. Altes Karma kann man durch Selbstlosigkeit, Liebe, Mitfreude und Hilfsbereitschaft abbauen und zugleich positive Samen für ein nächstes Leben pflanzen.

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Quintessenz

Jeder ist seines Glückes Schmied“, sagt man. Und das beschreibt im Grunde sehr schön die Quintessenz des Karmabegriffs. Um den Bogen zum Anfang zu spannen: Karma schließt den Begriff Zufall vollkommen und den Begriff Schicksal größtenteils aus. Karma beschreibt nicht etwa einen chaotischen Zustand, sondern bezieht sich auf den klaren Zusammenhang der Vorgänge in dieser Welt.

Karma ist im Grunde das Schicksal, das wir selbst in der Hand haben. Wir müssen das Karma aus vergangenen Leben annehmen, was sozusagen unser Schicksal darstellt, allerdings haben wir die Möglichkeit dieses Schicksal zu formen.

Wir sind also nicht von einer göttlichen Instanz abhängig, wir sind selbst diese (göttliche) Instanz, die unseren Lebensweg formte, formt und formen wird. Was dieses Ich“, das Selbst“ oder der Mensch ist, habe ich in „II. Wer und wozu sind wir?“ angesprochen.

Daraus erwächst eine natürliche Verantwortung für uns selbst und unsere Umwelt. Verantwortung und Bewusstsein sind die Dinge, die in unserer Menschheitsfamilie unbedingt erforderlich sind, um unsere Welt zu verbessern. Wer also im innersten Kern erkennt, dass er oder sie selbst mit jedem Gedanke und jedem Wort seine/ihre unmittelbare Umwelt formt, der erkennt die eigene Macht und die eigene Möglichkeit, die scheinbar festgefügten Schicksale dieser Welt zu verändern.


von Marco Lo Voi

5 Gedanken zu “Karma – Eine Definition

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