Dieser Beitrag ist die Fortsetzung der Zusammenfassung des Berichts der Sachverständigenkommission zum Thema „Bewältigung der Corona-Pandemie“. Zum ersten Teil gelangt man über folgenden Link:
Die Abrechnung mit den Corona-Maßnahmen – Eine Chronik des Versagens – Teil 1
Ohne große Vorrede setzt dieser Artikel dort an, wo Teil 1 endete, und zwar bei dem schrittweise Rekapitulieren des Inhalts der Evaluation des Expertenrates:
Schulschließungen
Positive Auswirkungen:
Hierzu wurde laut dem Bericht viel geforscht. Das Ergebnis: Am Ende ist man nicht schlauer. Feststeht, dass junge Kinder weniger ansteckend als Erwachsene sind. Mit zunehmenden Alter gleichen sich Kinder und Erwachsene hinsichtlich der Infektiosität an (S. 92-93) – aha! Zudem habe eine Studie bezüglich des Infektionsumfelds ergeben, dass nur rund 1% aller Infektionen in Schulen und Krankenhäusern stattfänden und eine Wiederöffnung der Schulen nicht zu einem Anstieg der Inzidenzen führte. Auch das massive Testen verzerre die Wirklichkeit, da durch häufiges Testen die Gruppe der Kinder und Jugendlichen stärker „ausgeleuchtet“ werde, nicht aber auf eine höhere Übertragungsrate hinweise (S. 93). Darauf haben verschiedene „alternative Medien“ und in Verruf geratene „Experten“ bereits früh aufmerksam gemacht.
Zusammenfassend kann man sagen: Es gibt Studien, die von positiven Auswirkungen sprechen und andere, die das Gegenteil belegen. Auch hier liegt das Problem in der Abgrenzung zu den übrigen Maßnahmen, die daneben ergriffen wurden. Darum kann laut Expertenrat kein eindeutiger positiver Effekt festgestellt werden.
Negative Auswirkungen:
„Über lange Wochen und Monate hinweg waren Schulen für Kinder und Jugendliche geschlossen.
Die Folgen dieser Maßnahme auf das psychische Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern und auf deren psychische und somatische Erkrankungen sind immens. Die Auswirkungen auf Lernkompetenz, Wissen und Leistungsfähigkeit werden sich erst in den folgenden Jahren zeigen, etwa durch europäische Vergleiche bei Schülerleistungstests“ (S. 94).
In Deutschland und den USA konnte aufgrund der Schulschließungen beispielsweise eine deutliche Zunahme an adipösen Kindern und eine Abnahme an sportlichen Aktivitäten festgestellt werden (S. 95).
Besonders im Bereich der psychischen Gesundheit sind negativen Auswirkungen schier unfassbar. Es erfolgt eine Auflistung der Zunahmen psychischer Erkrankungen zum Jahreswechsel von 2020-2021, die im Krankenhaus behandelt wurden:
- 15- bis 17-Jährige: emotionale Störungen (+42 Prozent), multipler Suchtmittelmissbrauchs (+39 Prozent), depressive Episoden (+28 Prozent) und Essstörungen (+17 Prozent)
- 10- bis 14-Jährige: depressive Episoden (+27 Prozent), Angststörungen (+25 Prozent), Essstörungen (+21 Prozent) und emotionale Störungen (+11 Prozent)
- Grundschulkinder (5-9 Jahre): Störungen sozialer Funktionen (+36 Prozent), Entwicklungsstörungen (+11 Prozent), Sprach- und Sprechstörungen (+5 Prozent)
(S. 95)
Dabei zählt der Bericht auf, welche Bereiche noch gar nicht systematisch untersucht wurden, wie Autismus, und Kinder mit körperlichen und geistigen Behinderungen. Es sei davon auszugehen, „dass diese besonders vulnerable Gruppe in bisher noch nicht abzuschätzendem Ausmaß unter den Schulschließungen und anderen Maßnahmen gelitten hat“ (S. 96). Fragt man die Betroffenen, Eltern sowie Kinder selbst, bestätigt jede zweite Person nach dem zweiten Lockdown, sie sei psychisch belastet. 85% der Eltern berichten von einem veränderten Sozialverhalten ihrer Kinder und 55% der Eltern gehen sogar soweit, ihren Kindern einen nachhaltigen Schaden ihrer sozialen Fähigkeiten zu attestieren (S. 96).
„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die COVID-19-Pandemie negativ auf die Lerndauer, Lernfähigkeit und den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern ausgewirkt hat, insbesondere in sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen“ (S. 97).

(Medizinische) Masken und ihre Wirksamkeit
Positive Auswirkungen:
Zum Thema Masken: „Neben der allgemeinen und im Labor bestätigten Wirksamkeit von Masken ist nicht abschließend geklärt, wie groß der Schutzeffekt von Masken in der täglichen Praxis sind, denn randomisierte, klinische Studien zur Wirksamkeit von Masken fehlen“ (S. 99). Das heißt: Bei richtigem Gebrauch in kontrollierter Umgebung und in theoretischem Sinne würden Masken helfen – ob dies in ausreichendem Maße tatsächlich der Fall war, hat man nicht genau genug untersucht oder konnte es nicht. Man verweist aber im nächsten Satz darauf, „dass das Tragen von Masken auch einen psychologischen Effekt hat, da durch Masken im Alltag allgegenwärtig auf die potentielle Gefahr des Virus hingewiesen wird. Die Maske ist daher zum immer sichtbaren Symbol der Infektionsprophylaxe und stiftete damit [ständige Aufmerksamkeitshaltung] bei den Menschen“ (S. 99).
Die bisher vorliegenden Forschungsergebnisse basieren auf Umfragen zum Trageverhalten und der daraufhin beobachteten Krankheitsverlauf. Dabei kam eine große Studie, die viele Einzelstudie zu COVID-19, SARS, MERS und andere Atemwegsviren zusammenfasste zu dem Ergebnis, dass man sein Risiko, eine dieser Viren abzubekommen, mit einer FFP2-Maske von 17,4% auf 3,1% herabsenken könne (-14,3%). Wie viel sich davon auf COVID-19 bezieht, bleibt offen. „Diese Studienergebnisse müssen jedoch aufgrund der unvermeidbaren Einschränkungen einer Beobachtungsstudie (auf selbstberichteter Maskenverwendung basierend) mit Vorsicht interpretiert werden“, da bisher nur Ergebnisse aus dem Labor und nur für Tiere vorlägen. Alle Studien gehen außerdem von einem korrekten Tragen der FFP2-Masken aus, was Sterilität, einmalige Verwendung, luftdichtes Tragen und korrekte Entsorgung einschließt, da schlecht sitzende Masken „keinen, ggf. sogar einen negativen Effekt“ haben können (S. 100).
Auch hier schließt der Bericht folgendermaßen: „Alle genannten Studien – sowohl jene, die eine Effektivität der Maskenpflicht in der Schule belegen, als auch jene, die den Nutzen dieser in Frage stellen, sind rein deskriptiv und erreichen nicht den Evidenzgrad, der nötig wäre, um eine abschließende Aussage zu diesem Sachverhalt treffen zu können“ (S. 101). Das heißt: Manche Studien sagen, Masken helfen, andere sagen das Gegenteil. Alle Studien seien nach Meinung der Experten allerdings nicht genau genug, um eine wirkliche Aussage treffen zu können, weil bisher keine Forschung durchgeführt wurde, die der praktischen Realität nahe gekommen sei.
Negative Auswirkungen:
An dieser Stelle widerspricht sich der Bericht aus meiner Sicht selbst und äußert sich nur spärlich zu eventuellen negativen Folgen. Er eröffnet damit, es seien in zahlreichen Studien keine Belege für negative Auswirkungen auf physische und kognitive Leistungsfähigkeit gefunden worden, seien aber auch nicht auszuschließen (S. 101). Auch bei der frühkindlichen Entwicklung sei die Diskussion darüber noch im Gange. „Die Evidenz für unerwünschte Wirkungen des Maske-Tragens hinsichtlich potentieller,
gesundheitlicher und psychologischer Folgen ist allerdings gering und bisher nicht in der Weise er-
forscht, dass (statistische) belastbare Aussagen getroffen werden können. Ein möglicher negativer Effekt des Maske-Tragens auch bei Kindern lässt sich deshalb nicht abschließend feststellen“ (S. 102).
Man habe also einfach noch nicht so genau geschaut, weshalb bisher nichts Handfestes gefunden wurde, aber wirklich ausschließen könne man es nicht. Ein weiterer dunkler Fleck in der Aufklärungsarbeit.
Zusammenfassung des Berichts: „Eine generelle Empfehlung zum Tragen von FFP2-Masken ist aus den bisherigen Daten nicht ableitbar“ (S. 103). Wer also behauptet, die Wissenschaft habe eindeutig belegt, eine (FFP2-)Masken-Pflicht würde den Verlauf einer Pandemie nennenswert verändern, der irrt sich laut der Expertenkommission.

Juristische Einordnung
Auf den Seiten 103 bis 137 sind viele weitere soziale, psychologische und wirtschaftliche Folgewirkungen der Pandemie und deren Bekämpfung aufgelistet, die ich an dieser Stelle aber aussparen möchte, weil es dort nur viele weitere unschöne Details zu berichten gäbe. Zudem ist der dortige Abschnitt weniger fachsprachlich verklausuliert, was es besser ermöglicht, sich diesen Abschnitt selbst zu erarbeiten. Abschließend möchte ich nämlich auf den juristischen Aspekt zu sprechen kommen, da recht früh von Maßnahmenkritikern auf das Grundgesetz gepocht wurde. Einige erinnern sich (vielleicht) noch an die Bilder, bei denen sich Demonstranten mit erhobenem Grundgesetz bei den sogenannten „Hygienedemos“ gegen die Maßnahmen auf die Straßen gingen. Ein besonders frappierendes Einzelbeispiel ist folgendes Video:
Berichte wie diese gab es dagegen zuhauf:
Was war an den Vorwürfen der „Querdenker“, „Corona-Leugner“ und „Verschwörungsschwurbel-Schwindler“ dran?
Es geht im Folgenden also um das Infektionsschutzgesetz (IfSG), was im Laufe der Pandemie meiner Erinnerung nach mindestens vier Mal geändert und erweitert wurde.
In seiner ursprünglichen Gestalt wurde das „im Jahr 2000 verabschiedete Infektionsschutzgesetz
(IfSG)“ zum lokalen Einsatz auf begrenzte Zeit entworfen. Nun wurde und wird über einen bedeutend längeren Zeitraum bundesweit damit agiert, was laut dem Bericht „vor allem zahlreiche, nicht immer glückliche Änderungen und Ergänzungen des IfSG zu bewältigen versucht, ohne dass ein konsistentes Gesamtkonzept zu erkennen wäre. Vielmehr hat sich das IfSG mittlerweile zu einem recht unübersichtlichen und unsystematischen Regelungsgeflecht entwickelt“ (S. 138). Die Jura-Experten der Kommission sagen also selbst, dass die Änderungen des Gesetzes immer mehr Chaos und Unklarheit bei dem Versuch, diese zu beseitigen, verursachten.
Grundgesetze und Gewaltenteilung gelten immer
Ich versuche mich nun in der Interpretation des folgenden Absatzes:
„Es gibt keinen Verfassungssatz, wonach die Regeln des Grundgesetzes nur für einen – wie auch
immer zu definierenden – Normalzustand gelten. Einen durch das Recht angeblich nicht fassbaren
Ausnahmezustand kennt es dementsprechend nicht. Daher ist dem Grundgesetz die Vorstellung,
ein Verfassungsorgan könne ohne rechtliche Bindungen handeln, um die Verfassungsordnung ins-
gesamt zu retten, fremd.“
Meines Erachtens bedeutet dieser Absatz: Das Grundgesetz gilt grundsätzlich. Es kennt keine Situation, in der Exekutive, Judikative oder Legislative sich darüber hinwegsetzen könnten. Unter 7.1.2.1 heißt es, es gebe zwar Katastrophenfälle, die beispielsweise den Einsatz der Bundeswehr und der Bundespolizei im Inneren erlaube; aber „auch in einer, epidemischen Lage von nationaler Tragweite‘ bleiben daher insbesondere der im Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip gründende Grundsatz der Gewaltenteilung […] das Bundesstaatsprinzip […] und die Grundrechte verbindliche Maßstäbe staatlichen Handelns“ (S. 139). Das heißt: Grundgesetze und Gewaltenteilung gelten immer!
Allerdings ermöglicht das Infektionsschutzgesetz in einer Akutphase, also beispielsweise zu Beginn einer auftretenden Pandemie, gewisse politische Prozesse zunächst zu verkürzen. Damit war das Handeln der Regierung im Frühjahr 2020 vorerst legitim, hätte aber zeitnah gesetzlich nachgebessert und legitimiert werden müssen, was erst gegen Ende des Jahres 2020 unter Nachdruck der Gerichte geschehen sei (S. 139). Hier zeigt sich, dass das Handeln der Politiker ebenfalls nicht immer gemäß der geltenden Gesetze geschieht.
Insgesamt sei das Vorgehen der Politik von Widersprüchen und juristisch fragwürdigen Handlungen geprägt gewesen, die nicht den Ansprüchen der bundesdemokratischen Ordnung entsprachen und nach wie vor entsprechen (S. 141).
Verfassungsrechtliche Widersprüche
§ 5 Absatz 2 des IFSG, das das Gesundheitsministerium ermächtigt, „in einer Vielzahl von Fällen von bestehenden Gesetzen abweichen“ zu können, stößt bei den Juristik-Experten auf „massive verfassungsrechtliche Bedenken„, da es die „Normenhierarchie“ auf den Kopf stelle und in seiner Form nicht den rechtlichen Ansprüchen genüge (S. 141). Hier ist die Bewertung der Experten eindeutig: sie „wird im rechtswissenschaftlichen Schrifttum [nach dem Grundgesetz] zu Recht ganz überwiegend für verfassungswidrig gehalten“ (S. 143). Auf Seite 143 unter 7.2.2.2 wird diese Änderung, mit der Gesundheitsminister Lauterbach sich selbst ein Denkmal setzte, in einem juristischen Sprachfeuerwerk dermaßen torpediert, dass selbst mein Wortschatz an die Belastungsgrenze seiner Kapazitäten gelangt. In einem Wort sei diese Änderung eine „‚Blankovollmacht'“, von der „ungefähr 1.000 Normen betroffen sein“ könnten, die allesamt damit umgangen würden.
Von Seite 144 bis 159 werden weitere Gesetzesdetails eingehend besprochen und mit Verbesserungsvorschlägen konfrontiert. Ich möchte und kann hier nicht alles besprechen. Darum selektiere ich die dort besprochenen Punkte danach, für wie wichtig ich sie persönlich halte. Dabei ist mir die gesetzliche Rechtfertigung der „Schutzmaßnahmen“ ein großes Anliegen, da es hierbei um die individuelle Freiheit der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes geht. Aussparen werde ich dafür die Gesetze rund um die Entschädigung und Sozialhilfen, die im Zuge der Pandemie ausgeschüttet wurden.
Rechtmäßigkeit der Schutzmaßnahmen
Die §§ 28-32 und 36 IfSG regeln die Schutzmaßnahmen, die im allgemeinen Falle auch schon vor der Corona-Pandemie galten, in dessen Verlauf aber um weitere Absätze, die sich konkret auf SARS-COV-2 beziehen, ergänzt wurden. Diese Absätze müssten allgemeiner gefasst und umstrukturiert werden, um für neue Pandemien mit neuen Erregern gelten gemacht werden zu können (S. 145). Ein weiterer, sehr rechtsphilosophischer Punkt ist die in der Evaluation angesprochene Unterscheidung zwischen „individuellen“ und „kollektiven Schutzmaßnahmen“. Dies sei in den Gesetzestexten nicht exakt genug unterschieden und gibt somit Anlass zu rechtlichen Debatten. Zudem hänge der Schweregrad der Einschränkungen stets von dem Ausmaß der Gefahrenlage ab, was eine exakte, schnelle und tiefgründige Analyse des Gefährdungspotentials unerlässlich für die Aktivierung bestimmter Gesetze macht. Dass das zu keinem Zeitpunkt bis heute der Fall war und ist, haben wir bis hier hin schon deutlich gesehen (S. 147).
Unter 7.3.2.4 Ausgestaltung von Befugnisnormen wird ausgeführt, wie mit gewissen politischen „Taschenspielertricks“ der Parlamentsvorbehalt von der Regierung umgangen wird, was „unüblich sei“. Zudem sollten die Maßnahmen hinsichtlich ihrer „Intensität der Betroffenheit“ unterschieden werden und unbedingt mit dem Prinzip der „Verhältnismäßigkeit“ in Einklang gebracht werden, wie dies beispielsweise in den Polizeigesetzen der Länder längst Rechtstradition sei (S. 148). Auf den Seiten 148-150 wird § 28a in verschiedenster Weise kritisiert, wobei es dabei vor allem um Begrifflichkeiten geht, die falsch oder uneinheitlich verwendet wurden. Daneben geht es um die sehr grobe und teils schlicht juristisch völlig unbrauchbare Ausgestaltung einzelner Aspekte, die im Endeffekt diesen ganzen Absatz ad absurdum führen.
Hierbei ging es also vor allem um Maßnahmen, die das Individuum betreffen. Im Folgenden möchte ich kurz auf die bundesweit geltenden Gesetze eingehen. Auf Seite 150 wird nochmals rekapituliert, wie aus dem „Flickenteppich“ der Corona-Regeln mittels der „Bundesnotbremse“ flächendeckende Maßnahmen verordnet wurden: es „erfolgte mit den Regelungen der sog. Bundesnotbremse eine einzigartige Zentralisierung des Pandemiebekämpfungsregimes“ (S. 150). Interessant ist hierbei die Bezeichnung „Regime“, welcher normalerweise nur für unliebsame Regierungen anderer Länder Verwendung findet. Zwar habe das Verfassungsgericht diese „Notbremse“ „gebilligt, [v]erfassungspolitisch sind die Folgeprobleme aber so gravierend, dass eine Wiederholung dieses Regelungsregimes nicht empfohlen werden kann“, weil damit das Verfassungsgericht zur Anlaufstelle für Klagen wurde, wofür es aber „strukturell ungeeignet“ sei (S. 150).
Eine der wichtigsten Punkte ist die rechtliche Unterscheidung von Personengruppen: „Ob geimpfte/genesene und möglicherweise auch getestete Personen von Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, ist eine in hohem Maße grundrechtsrelevante Frage, die nicht dem Verordnungsgeber überlassen werden darf“ (S. 151). Nur insofern nach medizinischem Stand davon ausgegangen werde, dass „Immune“ „nicht oder nur unwesentlich zum Infektionsgeschehen beitragen“ dürfe so eine Begriffsunterscheidung, insofern sie juristisch sauber festgelegt sei, überhaupt Anwendung finden und müsse von Bundestag und Bundesrat abgesegnet werden. In der politischen Kommunikation wurden diese Wörter jedoch förmlich zu Kampfbegriffen, um innenpolitische Vorgänge zu legitimieren. Nach den Experten dürfen Politiker in Regierungsverantwortung („Verordnungsgeber“) diese Begrifflichkeiten eben nicht ohne Weiteres für Verordnungen oder gar Gesetze verwenden werden. Dies ist im Laufe der Geschichte vonseiten verschiedener „Regimes“ jedoch immer wieder geschehen.
Zum Thema „Quarantäne“, das in der Evaluation unter den Begriff „Absonderung“ fällt, heißt es, dass es sich dabei „nach herrschender Meinung um Freiheitsentziehung“ nach Artikel 2 Grundgesetz handle (s. 151).
Das ist ein starkes Stück! Diese Maßnahme sei „schlicht nicht für Epidemien konzipiert“. Dagegen schlagen die Experten eine „Verkehrsbeschränkung“ vor, die lediglich das Betreten bestimmter Veranstaltungen und Nutzung des ÖPNV untersage, nicht aber das Verlassen der eigenen Wohnung.
Abschließend bestätigt der Bericht zwar einerseits, dass Versammlungsverbote und „3G am Arbeitsplatz“ sowie „Homeoffice-Pflicht“ rechtlich legitim sei, andererseits gibt es bereits Verordnungen, die klar formulieren, wie mit Versammlungen, die „eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ darstellen, umgegangen wird. Somit – und das ist nun meine eigene Schlussfolgerung – muss zunächst nachgewiesen sein, ob Versammlungen unter freiem Himmel tatsächlich eine Ansteckungsgefahr bergen, um dann diese Versammlungen unter diesem Grundsatz auch auflösen zu dürfen. Obwohl es nie nachgewiesen werden konnte, dass dies der Fall war oder ist, wurden dennoch teilweise unter Gewalteinsatz sogenannte „Corona-Demos“ aufgelöst. Zum Thema „3G am Arbeitsplatz“ gebe es zudem noch Nachbesserungsbedarf in einigen Formulierungen, weil auch hier juristische Lücken vorlägen (S. 153).

Zusammenfassung
Die Evaluation lässt sich aus meiner Sicht nur schwer zusammenfassen. Dieser zweiteilige Beitrag ist schließlich schon eine aus meiner Sicht auf Ausgewogenheit ausgerichtete Zusammenfassung. Trotzdem hier nochmal die wichtigsten Punkte in absoluter Kürze:
- Der Bericht schränkt sich selbst in seiner Aussagekraft aus verschiedenen Gründen ein (fehlende Daten, zu wenig Zeit, keine wissenschaftliche Studien, etc.)
- Es konnte kein Zusammenhang zwischen dem Infektionsverlauf der Pandemie und dem Inkrafttreten der Maßnahmen nachgewiesen werden.
- Lockdown-Maßnahmen müssen an sich früh installiert werden und zeigen nur kurzzeitig Wirkung. Juristisch sind diese allerdings kompliziert. Beispielsweise wird eine Quarantäne-Verordnung mit dem Begriff „Freiheitsentzug“ gleichgestellt. Zudem sind die negativen Folgen bereits nach kurzer sehr umfangreich und in ihrer Tragweite vor allem auf lange Sicht kaum abschätzbar
- Die G-Regeln sind juristisch ebenfalls umstritten. Zudem zeigen sie nur Wirksamkeit, wenn das Infektionsrisiko durch Testung/Impfung gesenkt werden kann. Dies war bei der Delta-Variante nur bis ca. 3 Monate nach vollständiger Impfung und für Omikron gar nicht gegeben. Vor allem Schnelltests seien insgesamt zu ungenau und PCR-Verfahren zu zeitintensiv und darum unbrauchbar. Die wenigen aussagekräftigen vergleichenden Studien schätzen die Wirkung deswegen als „eher gering“ ein.
- Die Kontaktverfolgung zeige nur Wirkung, wenn man sie extrem hochfahren und restriktiv durchsetzen würde. Dies ist nicht geschehen. Zudem sei der Informationsfluss so träge gewesen, dass Menschen erst informiert wurden, als eine potentielle Übertragung im Schnitt bereits über vier Tage her war. Und auch das Thema „Schutz der persönlichen Daten“ ist ein juristische „Hürde“.
- Für Masken konnte in der Alltagspraxis bisher kein Effekt einwandfrei nachgewiesen werden. Unter Labor-Bedingungen und der genauen Einhaltung des Verwendungsprotokolls könnten zumindest FFP-2 tatsächlich den Infektionsverlauf bremsen (sterile Verwendung, einmaliger Gebrauch, perfekter Sitz, ordnungsgemäße Entsorgung). Bei falschem Gebrauch könnten die Masken das Infektionsrisiko sogar erhöhen.

Und jetzt?
Nachdem ich mich durch 160 PDF-Seiten gewühlt habe, frage ich mich selbst: Wozu eigentlich? In meinem privaten Umfeld habe ich sogar unter politisch relativ interessierten und informierten Menschen den Test gemacht, wer denn von dieser Evaluation auch nur jemals gehört hat. Das Ergebnis: (Fast) Niemand. Die Gründe liegen auf der Hand. Zum Einen ist die Medienarbeit zu diesem Thema mehr als unzureichend. Zum anderen haben die meisten Menschen das Thema „Corona“ so satt, dass keiner mehr irgendwas „Neues“ dazu überhaupt nur hören möchte. Außerdem gibt es in der Tat größer scheinende Krisenfelder, die sich in der nahen Zukunft auftun. Dennoch halte ich es für extrem unklug, gefährlich und kurzsichtig, wenn wir die letzten Jahre der Pandemie-Bekämpfung nicht ausreichend reflektieren, weil sich damit dieses übernationale Trauma in unserem kollektiven Unterbewusstsein unbereinigt ablagert und uns für Langzeitfolgen und Wiederholung derselben Fehler absolut blind macht.
Wenn man Meldungen zu diesem Thema sucht, finden sich auf die Schnelle rund 20 größtenteils recht kurze Berichte zu diesem Thema, von denen sich die meisten inhaltlich ähneln: „Zu wenig Daten“, aber „Masken sind irgendwie sinnvoll“, „Lockdowns sind eigentlich praktisch“ und „G-Regeln waren auch nicht so blöd“. Nur wenige der großen Medien nehmen sich diesem Thema überhaupt an. Die wenigsten Artikel benennen auch negative Folgewirkungen der Maßnahmen und die Allerwenigsten trauen den Lesern eine etwas längere Aufmerksamkeitsspanne zu, indem sie das Thema ein wenig ausführlicher ausleuchten.
Dabei ist es doch im Vergleich zu zwei Jahren völliger Verunsicherung, teilweise der hysterischen Panik und Stunden großer Wut, Trauer und Verzweiflung nur ein Kleines, sich einige Minuten Zeit zu nehmen, um zumindest zu versuchen, diese Zeit zu reflektieren! Doch auch das scheint kaum gewollt, wenn man sich die Kommunikation von Medien und Politik zu dieser Abrechnung ansieht. Jede und jeder, der oder die bis hier hin gelesen hat, sollte es sich darum zur Aufgabe machen, auf diesen Bericht zu verweisen. Sie stärkt jedweden Diskussionspunkt mit offizieller fachlicher Expertise, egal zu welchem „Lager“ man sich zählt oder von anderen hineingesteckt wird.
von Marco Lo Voi
Nichts verpassen?
Jetzt den Newsletter abonnieren und immer über neue Beiträge informiert werden!