Tag 1 der „Ausgangssperre“ – Die Situation

Hausarrest

Freiburg ist eine der ersten Städte Deutschlands, die ein Betretungsverbot öffentlicher Plätze auf Grund der Corona-Krise erlassen hat. Offensichtlich übernimmt nun die Regional- und die Landespolitik die Entscheidungsgewalt, da der Bürger und die Bürgerin offensichtlich nicht vernünftig reflektieren und handeln kann.

Freiburg steht formal unter Hausarrest. Und auch in meiner sechsköpfigen Haus-WG spielt sich das Leben nunmehr in und um unser Domizil ab. Wie vermutlich die meisten Menschen hat uns diese Krise dann doch ziemlich überrollt. Auch wenn ich schon seit Jahren das Gefühl hatte, etwas braue sich zusammen in der Welt, rechnet man trotzdem niemals damit, wenn es dann tatsächlich eintritt.

Die Klopapier-Krise

Bei sechs Leuten und regelmäßigem Besuch von Freunden und Familie waren wir, wie vermutlich ebenfalls der eine oder die andere, vom Klopapier-Engpass unmittelbar betroffen. Nicht eine Packung gab es mehr in allen kleineren und mittleren Läden. Selbst im Zwischenhändler „Metro“, in welchem kleinere und mittlere Betriebe selbst einkaufen, gab es nur noch eine einzige traurige Packung Papiertaschentücher.

Glücklicherweise sind wir von der Gattung homo sapiens sapiens, was soviel heißt wie „vernünftiger Mensch“. In einer Klopapier-Notsitzung haben wir durch gemeinsame Anstrengung die reinigende Eigenschaft von Wasser neu evaluiert und dabei festgestellt, wie effizient sich mit einer Duschbrause durch gezieltes Einsetzen derselben selbst die entferntesten Regionen des Körpers von jedwedem Dreck reinigen lassen.

Darüber hinaus verfügen wir im Haus über eine Technologie, die sich „Handtücher“ nennt. Der Fortschritt dieser Technologie besteht neben seiner fabelhaften Eigenschaft des „Trocken-Machens“ in seiner 1:1-Wiederverwertbarkeit. Damit konnten wir als einer der ersten Haushalte Deutschlands die KKK, die kakastrophale Klopapier-Krise – überwinden – genug der Ironie.

Beschäftigungstherapie

Während also die Klopapier-Krise als überwunden angesehen werden kann, – inzwischen konnten wir wieder die ein oder andere Rolle ergattern – können wir uns über die Bequemlichkeit unseres Hausarrestes kaum beschweren. Wie vermutlich die Wenigsten in der Stadt verfügen wir  in unserem Haus  über einen Garten und einen großen Keller: genug Fläche, um zu graben, aufzuräumen, Projekte anzugehen und natürlich um Sonne, Raum und Luft zu tanken.

So haben meine Mitbewohnerinnen, Mitbewohner und ich die letzten Sonnentage genutzt, um draußen zu sitzen und ein bisschen Gartenarbeit zu verrichten. Der ewige Sonntag….

Es wurden Beete gebuddelt, Rasen gesät und Dekoration gebastelt. Sogar der Keller wurde teilweise aufgeräumt.

Es wurde nebenbei ausgiebig gebrainstormt, was alles in dieser Zeit möglich wird. Hier ein kleiner Auszug:

      • Gemeinsame Leseabende:
        Jeder sucht ein Romankapitel, eine Kurzgeschichte, ein Gedicht, ein Lied, etc. aus und trägt sie den anderen vor und anschließend kann über die Geschichten gesprochen und diskutiert werden

      • Gemeinsames Musizieren:
        Viele Menschen besitzen Instrumente und manche können diese auch ganz gut spielen. Gebt euch gegenseitig Unterricht!
        Wer keine Instrumente hat, kann sich auch mit Löffeln, Töpfen, Wannen und Sonstigem Instrumente improvisieren!

      • Für Menschen mit Balkon oder Garten:
        Wenn ihr euch traut, setzt euch raus und singt, tanzt und musiziert. Dann haben auch die Nachbarn etwas davon. Natürlich nur, insofern diese sich dadurch nicht massiv gestört fühlen – Kommunikation ist das A und O. Ein Fenster tut es auch. 😉

      • Tagebuch führen:
        Wer unglücklicherweise alleine ist, sollte dazu übergehen, ihre und seine Gedanken in irgendeiner Form festzuhalten. Ich kann nur aus eigener Erfahrung sprechen. Mein Schreiben begann mit einer Selbsttherapie: ich habe schwere Gedanken kanalisiert, indem ich sie einfach aufgeschrieben habe. Dies wirkt fast so reinigend wie ein Gespräch. Natürlich kann nichts einen guten Zuhörer oder eine weise Ratgeberin ersetzen, aber es hilft, das Gewitter im Kopf zu klären.

      • Aufräumen:
        Nie war die Zeit günstiger für einen Großputz! Allein oder im Team: hier kann man sich in den Rausch des Haushaltführens hineinfallen lassen. Wie sauber kann ein Fenster oder eine Toilette sein? Wie Hartnäckig ist eigentlich dieser räudige Staub?! Findet es heraus!

      • Systeme etablieren:
        Welche Dinge sind noch unausgereift in eurem Haushalt? Stört euch eine Schublade? Ist irgendwo eine ungenutzt Ecke? Ist euer Rechner / Laptop hoffnungslos zugemüllt? Kein Problem, Musik an und los geht die Arbeit.

      • Sprechen:
        Ihr wohnt in einer WG, aber kennt eure Mitbewohner eigentlich gar nicht? Jetzt ist die Zeit um sich kennenzulernen. Macht euch einen Tee, setzt euch hin und redet!

      • Radio, Internet und Fernseher aus!
        Ich weiß, man möchte in diesen Tagen immer auf dem Laufenden bleiben, die Entwicklungen verfolgen, Informationen noch und nöcher saugen und bewerten. Aber seid gewarnt: Ob nun Mainstream-Nachrichten, Verschwörungstheorie oder – und ja, das gibt es – Formate, die sich irgendwo dazwischen bewegen – versucht den Informationskonsum auf ein paar Stunden pro Tag zu reduzieren.Wenn man sich 24 Stunden am Tag nur mit diesem Thema beschäftigt, dann befällt Corona nicht mehr nur Lungen sondern auch eure Hirne. Dann wird aus dieser viralen Pandemie eine globales psychologisches Trauma, dessen Schäden noch in 40 Jahren zu spüren sein werden. Jedes Husten, jeder Mundschutz, jede Rotznase wird euch dann an all das Erinnern, was wir gerade durchmachen. Reinigt euch von euren Ängsten und beschäftigt euch!

Der Krieg , wie es Oberst Schönling in Frankreich ausgedrückt hat, welchen wir bestreiten, ist nicht nur durch einfaches Zuhausebleiben zu gewinnen. Das weitaus Entscheidendere ist, dass wir zu unserer Menschlichkeit zurückfinden, dort bleiben, sie bewahren und fördern!

Soldat

Mit Menschlichkeit meine ich nicht Technologie, Wissenschaft und Desinfektion, sondern die Verbundenheit zu unseren Mitmenschen und zur Natur. Alles, was der Mensch tut, ist Natur. Wir müssen allerdings darauf achten, diesen Umstand nicht zu vergessen. Vielleicht erleben wir derzeit ein Neuerwachen des Bewusstseins. Vielleicht erleben wir aber auch bald den völligen Verlust der Menschlichkeit.

Lasst gemeinsam auf die erste Möglichkeit hinarbeiten!

Menschen - Sillhouetten


Von Marco Lo Voi

Ein Gedanke zu “Tag 1 der „Ausgangssperre“ – Die Situation

  1. sorry…zum Rollenpapier brachten unsere Radiosender im Norden, die etwas derbe Note als Erklärung: 1 Hustet —> 5 Mann kacken(!) sich in die Hose…deshalb so starkes Hamstern!
    Gruß v.d. Nordsee…

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