Reisebericht Teil 3: Portugal – 6 Länder in 10 Tagen

Sybille und ich

Die Reiseroute war gesetzt. In der Hoffnung, Mitfahrer für die lange Rückfahrt zu finden, hatte ich meine Wegstrecke so gewählt, dass ich große Städte kreuzen würde, was jedoch die zu fahrende Kilometerzahl insgesamt erhöhte. Außerdem wollte ich bei meinem Aufenthalt auf der iberischen Halbinsel noch ein paar große Namen besichtigen. Man weiß ja schließlich nie, wann man das nächste Mal wieder so weit in den entlegenen Westen Europas gelangen wird. Darum schrieb ich mir zunächst den „Pflichttermin Lissabon“ auf den Fahrplan, was bedeutete, nochmals ca. 1 Stunde zurück Richtung Atlantik zu fahren. Dort würde ich zwei Tage verbringen. Dann sollte meine wirkliche Rückreise von dort aus starten und mich über Madrid nach Barcelona führen.

Tatsächlich erhielt ich diverse Anfragen über Blablacar. Allerdings waren die meisten davon Spambots und die anderen waren überwiegend sehr dreiste Menschen, die Extrawünsche einforderten, als sei ich ein günstiges Taxiunternehmen. Dies führte dazu, dass ich reihenweise Absagen erteilte, weil ich auf Grund meiner langen Fahrt keine Extratouren unternehmen würde. Nach einigen Versuchen mit verschiedenen Menschen hatte ich schließlich die Zusage von M. aus Madrid, der mit mir von Lissabon aus nach Madrid fahren würde. Bevor wir nach Nazare fuhren, hatte ich schon einen Teil meines Gepäcks in Sybille verstaut. Am Montagmorgen, der Tag meiner Abreise, sammelte ich meine restlichen Habseligkeiten zusammen und machte mich auf, um gemeinsam mit Sybille die letzte Etappe meiner Reise anzugehen. Jorge und R. machten sich für einen morgendlichen therapeutischen Spaziergang bereit und verabschiedeten mich dann am Tor, durch das ich die vollbepackte Sybille hinausmanövrierte, um mich auf nach Westen zu machen.

Lissabon – Steiles Kopfsteinpflaster und schöne Ausblicke

Mit einem Auto, zwei Fahrrädern auf dem Dach und viel, zu viel Gepäck lassen sich nur schwerlich Städtetrips veranstalten, musste ich auf meiner Rückreise leider vielfach feststellen. Und so begann das Abenteuer „Rückfahrt“ mit der ersten Aufgabe: einen Schlafplatz für Sybille in Lissabon suchen. Mit der App „Park4Night“ hatte ich im Vorfeld einige Optionen geprüft, allerdings sind die Infos nicht immer aktuell und oft ungenau, zumal die Realität oft anders aussieht, als es auf den Verkehrskarten den Anschein erweckt. Vor allem die Höhenunterschiede und die kleinen Seitenstraßen sorgen immer wieder für Schwierigkeiten beim Informationstransfer von der Karte zur Lebenswelt. Anders als zu Fuß oder mit dem Fahrrad ist man zudem im Auto an den Verkehrsfluss gebunden und kann nicht mal eben kurz stehenbleiben, um sich umzuschauen. So wird man in fremden Stadtverkehren gerne herumgetrieben wie ein aufgequollenes Stück Treibholz in rauer See.

Nach knapp einer Stunde Autofahrt in Lissabon angekommen fand ich eine Parklücke, in der ich mal kurz halten konnte. Dort wurde mir klar, dass es in der Stadt mit Gratis-Parkplätze für mehrere Tage sehr schlecht aussieht. Außerdem war ich durch die Fahrräder auf dem Dach höhenlimitiert, sodass man mal nicht eben schnell in eine Tiefgarage fahren konnte. Und so landete ich auf einem offenen Bezahlparkplatz, der zentral gelegen ist und kein Parkdauerlimit hatte. Erleichtert, einen Parkplatz gefunden zu haben, musste ich entscheiden, wie ich mit den zwei Fahrrädern umgehen sollte. Ich entschloss mich dazu, das sehr teure Mountainbike meines ehemaligen Reisegefährten mitzunehmen und mein Rad mit allen Schlössern auf dem Autodach zu sichern. Ich packte meinen kleinen Tagesrucksack mit dem Nötigsten und machte mich auf, um das Hostel aufzusuchen.

Generell war es wirklich cool, ein Fahrrad bei sich zu haben. Zwei Fahrräder waren allerdings eher ein Stressfaktor und Problem. Das Fahrrad auf dem Dach ragte zudem wie eine Standarte des Tourismus über die anderen Autodächer in die Höhe, der die Aufmerksamkeit der Langfinger auf sich ziehen würde. Und so konnte ich nur auf die Sicherheit des Parkplatzes und mein Glück hoffen. Das Hostel „Divine House of Graca“ hat eine gute Lage in der Altstadt Lissabons, war wirklich gepflegt und sehr preiswert. Der Preis erschloss sich mir dann aber durch die sehr beengten Verhältnisse in den Zimmern. Da ich aber ohnehin wenig Zeit im Hostel verbrachte, war dieser Faktor zu vernachlässigen. In den Autoreise- und Hostelmodus zu schalten war für mich anfangs auch überhaupt nicht leicht, da ich schließlich von einem zweiwöchigen Aufenthalt in einem kleinen Paradies in die beengten Verhältnisse eines Hostels und die überfüllten und lebhaften Umstände einer Großstadt kam.

Kurz nach Ankunft in der kleinen und schummrigen, aber zweckmäßigen Unterkunft machte ich mich sogleich auf den Weg und erkundete intuitiv die nähere Umgebung. Meine Italienreise, in der ich zahlreiche italienische Groß- und Kleinstädte besuchte, hat mich gelehrt, wie man fremde Städte für sich erschließt. Entweder man informiert sich im Vorhinein über mögliche Anlaufstellen und versucht, sich den Weg dorthin zu suchen. Oder aber man geht immer der Nase nach und nimmt in Kauf, die touristischen Juwelen eventuell zu verpassen und in völlig unspektakulären oder unschönen Ecken zu landen. Für Lissabon hatte ich mich bei Jorge erkundigt, was er mir denn so empfehlen würde. Er riet mir, die Altstadt zu erkunden und dabei die Aussichtspunkte, von denen man einen guten Eindruck der Stadt bekommen kann, aufzusuchen.

Anders als in Italien hatte ich weniger den Anspruch, eine Kulturreise zu unternehmen. Darum fuhr ich kreuz und quer mit dem Mountainbike durch Lissabons Altstadt, die aus unzähligen kleinen Pflastersteinstraßen bestand, auf denen sich neben Gegenverkehr auch gerne mal eine Straßenbahn durch die engen und gewundenen Gässchen zwängt. Lissabon liegt ähnlich wie Rom zwischen mehreren Hügeln, aber hat zusätzlich den Atlantik vor der Haustüre, was die Stadt wirklich malerisch macht. Die beiden Tage in Lissabon verbrachte ich mit viel Fahrradfahren, Sonnenaufgängen an meinem „Lieblingsplatz“ und Sonnenuntergängen auf dem Aussichtspunkt „Senhora do Monte“. Hier einige Eindrücke von Lissabon:

Durchquerung der iberischen Halbinsel

Ich verabredete mich mit M. um halb 11 Uhr am Parkplatz bei Sybille. Dort traf ich die letzten Vorbereitungen, um die erste große und längste Etappe von Lissabon nach Barcelona anzutreten. Mich erwarteten ca. 1250 Kilometer, die ich in zwei Tagen zurücklegen wollte. Ich deckte mich mit ausreichend Proviant ein, checkte Öl, Luftdruck, Wasser und die Dachgepäckträger mit den Fahrrädern. M. erschien überpünktlich am Treffpunkt und so konnten wir uns zeitig auf den Weg machen.

M. war ein junger Mode-Design-Student, der sehr, sehr kommunikativ und mitteilungsfreudig ist. Nachdem wir aus dem Stadtverkehr entkommen waren, ging es auf die Autobahn, auf der wir insgesamt fast fünf Stunden verbrachten. M. schaffte das Kunststück, nahezu die gesamte Reisezeit durchgehend zu reden. Er stammte aus Madrid und war wirklich ein interessanter Charakter, vom Auftreten bis über das Was und Wie seines Ausdrucks. Einerseits verflog die Reisezeit dadurch recht schnell, andererseits fand ich es auf Dauer etwas ermüdend, wenn man selbst kaum zu Wort kommt. Nichtsdestotrotz waren die Informationen und Themen, die wir durchsprachen sehr aufschlussreich und neu für mich.

Wir sprachen über Mode, Politik, die Beziehung zwischen Portugal und Spanien, seine Vision über eine großiberische Nation, seine Vorstellungen von Familienleben, über das Leben an sich und welche Schwierigkeiten es birgt, seine persönliche Vorgeschichte, über Sprachen, Kunst, Musik, das Studentendasein, Wirtschaft und so fort. Er sprach wirklich fast ununterbrochen, bis wir Madrid in der Dämmerung erreichten. Mit schon müden Augen und manövrierte ich ins Zentrum, lies ihn am Bahnhof aussteigen und beschloss, so schnell es geht dem chaotischen Großstadtverkehr der spanischen Hauptstadt zu entfliehen. Ich fand über Park4Night eine Möglichkeit, in einem Vorort hinter Madrid auf einem großen öffentlichen Parkplatz zu nächtigen. Dort richtete ich es mir so bequem als möglich auf dem Beifahrersitz ein.

Sobald ich erwachte, kochte ich mir Kaffee, dehnte mich zwei, drei Mal durch und startete direkt zur zweiten Etappe von Madrid nach Barcelona. Die Nacht war okay. Mit Schlafmaske und Ohrenstöpseln lies es sich für eine Nacht aushalten. Die zweite Etappe zog sich gegen Ende ziemlich in die Länge, da doch der erste Reisetag mir noch in den Knochen steckte. Aber mit lauter Musik, meiner neu entdeckten Atemtechnik und ausreichend Kaffee-Pausen brachte ich die Stunden irgendwie rum.

Barcelona – Ankunft mit Schrecken

In Barcelona wiederholte sich der Kampf um einen Parkplatz. Die Informationen von Park4Night waren zu ungenau und veraltet und so kämpfte ich mich von der Innenstadt Barcelonas wieder aus dem Stadtkern heraus in Richtung einer schicken Wohngegend, die auf einem sehr steilen Hügel am Stadtrand liegt. Dort sollte irgendwo, so hoffte ich, ein möglicher Parkplatz für Sybille sein, der nichts kosten sollte. Völlig übermüdet, leicht paranoid, hungrig und mit voller Blase fuhr ich den Berg hoch, bis ich mich urplötzlich inmitten eines Verkehrschaos aus Unmengen parkender und haltender Autos und Eltern mit Kindern wiederfand, die hupend, rennend und im Weg rumstehend die kleinen, teilweise sehr steilen Straßen verstopften. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Vom Stop-and-Go-Geschiebe und der Menschenmenge überfordert musste ich wirklich mit mir ringen, um nicht die Beherrschung zu verlieren.

Und dann geschah es: Sybille, mein heißgelaufener Kombi, gab ein kratzendes Geräusch von sich, als ich den Gang wechseln wollte und soff schließlich ab. Das war der Super-Gau. Inmitten dieses Verkehrschaos war ich ohne Ziel und Verstand nun gestrandet. Warnblinker an, aussteigen und irgendwie versuchen, den Karren von der Straße zu schieben. Am Berg und vollbepackt war das Auto dafür viel zu schwer. Und schon stand die Polizei da. Drei Beamte auf Motorrädern hielten und halfen mir zusammen mit ein paar Passanten dabei, die Sybille aus dem Weg zu befördern. „Do you have an insurance!?“ War das erste und einzige, was der Polizist mir zurief, noch während wir das Auto an den Straßenrand bugsierten. Völlig verwirrt antwortete ich natürlich mit „Yes“, weil das Auto selbstverständlich versichert war. Als wir Sybille wegschoben, entdeckte ich auch das Autoteil, welches sich aus dem Motorraum gelöst hatte. Blitzschnell öffnete ich die Motorhaube, setzte das Teil wieder ein, startete das Auto und wollte mich umgehend unter Bedankungsformeln wieder verabschieden, doch die Polizei ließ mich nicht gehen.

Im Zuge des Gesprächs stellte sich heraus, dass es in Spanien Pflicht ist, einen ordentlichen Nachweis über die KFZ-Versicherung mit sich im Auto zu führen, den ich allerdings nicht bei mir hatte. Führer- und Fahrzeugschein interessierten sie nur am Rande. Die Beamten drohten mir damit, das Auto zu beschlagnahmen. Unter Protest und völlig ausgelaugt erklärte ich wiederholt meine Situation. Sie stellten mir sehr viele Fragen über mich und meine Reiseunternehmung, da ich die Fahrzeughalterin und Versicherungsnehmerin telefonisch nicht erreichte. Immer wieder drohten sie mir damit, mir das Auto einfach wegzunehmen. Erst nach einigen Minuten konnte ich die Polizei von meinen lauteren Absichten überzeugen. Mit den Worten „okay, my collegues don’t think, that you are a criminal“ ließen sie mich ziehen. Den nächstbesten Parkplatz um die Ecke ansteuernd stellte ich das Auto ab und atmete durch.

Die Perle Kataloniens

Da die Polizei mich eindringlich davor warnte, die Fahrräder auf dem Dach zu lassen, hatte ich beschlossen, beide Fahrräder mit zum Hostel zu nehmen. Dafür musste ich zunächst mit einem Fahrrad zum Hostel fahren, einchecken und anschließend die rund 3,5 Kilometer bergauf nochmals zurückeilen, um das zweite Fahrrad in die Tiefgarage des Hostels zu bringen. Nachdem auch das bewältigt war, konnte ich meinen Geist langsam aber sicher für die Stadt öffnen. Barcelonas Kern wirkt mit seinen hohen Glasgebäuden sehr großstädtisch. Man sieht deutlich, wie viel Geld in der Region Katalonien und insbesondere hier in Barcelona vorhanden ist, da das Stadtbild sehr modern ist und weite Teile der Stadt derzeit akribisch umgebaut und erneuert werden. Das Hostel war ebenfalls ein sehr großes, hohes Gebäude inmitten der Innenstadt, modern, sauber und eher für sehr junge bis junge Leute gedacht.

Völlig gerädert ermunterte ich mich dennoch dazu, einen Abendspaziergang hinzulegen, um irgendwo typisch spanische Snacks und ein Bier zu bekommen und mir die Beine noch etwas zu vertreten, da ich schließlich zwei volle Tage im Auto verbracht hatte. Ich endete in einer mit spanischen Jugendlichen überlaufenen Bar, in der es billiges Bier und teure frittierte Beilagen gab. Der Lärmpegel war erstaunlich. Die jungen Spanierinnen und Spanier veranstaltete wirklich eine regelrechte Party, da anscheinend ein Mädchen Geburtstag hatte. Schwer müde schleppte ich mich dann zeitig ins Hostel und fiel sofort in traumlosen Schlaf.

Für Barcelona nahm ich mir insgesamt vier Tage vor, da ich schon von mehreren Seiten hörte, wie viel die Stadt zu bieten hätte. Ich holte bei einem guten Freund Infos über touristische Highlights ein. Er riet mir dazu, die „Sagrada Familia“ und den „Gaudi Park“ mitzunehmen, die sozusagen zum Standardprogramm dazu gehören. Und so schnappte ich mir dieses Mal mein Trekkingbike und klapperte vorher ausgeguckte Wegpunkte auf der Online-Karte ab. Ich legte jeden Tag wieder weite Strecken zurück und erkundete in kürzester Zeit die gesamte Stadt mit dem Fahrrad. Hier ein paar Eindrücke:

Las Arenas de Barcelona
Plaça de Cataluña
Gotische Kirche
Kolumbus Denkmal
Kirche – Außenansicht
Plaça de Sonia Rescalvo Zafra
Arc de Triomf

Am zweiten Tag nahm ich mir das touristische Herzstück, die „Sagrada Familia“, vor. Da ich ohne jegliches Vorwissen war und die Tour durch die große Kirche mit einem englischen Guide nur unwesentlich mehr kostete, buchte ich für den Nachmittag einen geführten Besichtigungstermin. Nach dem recht unkomplizierten Sicherheitscheck durfte ich die Kirche zunächst auf eigene Faust erkunden, bis die Führung losgehen sollte. Noch gänzlich ohne Infos versuchte ich mir vergebens, mit meinem Vorwissen über heilige Geometrie, Numerologie, christlicher Mystik und Kirchenbau einen Reim auf die Innengestaltung zu machen. Doch diese Kirche war wirklich etwas völlig anderes:

Sagrada Familia
Nahaufnahme der Außenfassade
Der Altar
Ostseite
Nahaufnahme einer Säule

Ohne mich selbst zu erhöhen, war es doch ungewohnt für mich, ein Themenfeld zu betreten, von dem ich offensichtlich gar nichts wusste: die Architektur des Jugendstils. Natürlich war mir der Name „Gaudi“ ein Begriff, dennoch hätte ich ihn weder zeitlich noch künstlerisch einordnen können. Gaudi war ein spanischer Architekt, der neben zahlreichen sehr besonderen Gebäuden in Barcelona, die mir auch schon aufgefallen waren, als Krönung seines Lebenswerks eben jene Kirche, die „Sagrada Familia“, als noch sehr junges Projekt 1883 übernahm.

Er entwickelte die gesamte Idee der Kirche zu dem, was sie heute ist. In seiner Lebenszeit war es ihm lediglich möglich, die Außenfassade der Ostseite der Kirche baulich fertigzustellen, bis er bei einem Unfall 1926 mit über 70 Jahren in Barcelona verstarb. Doch vor seinem Tod hatte er in Zeichnungen und Gesprächen all seine Ideen zu dieser Kirche an die Mitwirkenden weitergegeben. Die Kirche ist bis heute noch nicht fertig gestellt. Wenn die Welt nicht während der Corona-Maßnahmen knapp drei Jahre fast stillgestanden hätte, wäre die Kirche planmäßig 2026 fertiggestellt worden. Das Datum der Fertigstellung wird nun auf 2030 geschätzt.

Das war erste Knackpunkt, an dem ich mich vergebens festhirnte, die Kirche wirkt so anders, weil sie sehr „modern“ ist. Der grundlegende Aufbau mit Kirchenschiff und Kreuzgang ist zwar gegeben, aber die Symbolik der Ost-West-Ausrichtung hat Gaudi etwas anders interpretiert. Außerdem fasziniert die Kirche durch seine vielen Buntgläser, der besonderen Säulenkonstruktion des Innenraums, den zahlreichen Turmspitzen und der Natursymbolik. Wer die Architektur Gaudis kennt, für den ist es nicht verwunderlich, dass diese Kirche etwas Besonderes sein muss. Der Architekt fiel immer durch seinen Hang zu geschwungenen Linien, bunten Farben und seiner Orientierung an der Natur auf. „Im Wald ist man Gott am nächsten“, habe der Architekt gesagt, und so solle man auch im Innenraum der Kirche das Gefühl haben, in einem Wald zu stehen: die grün-gelb-roten Farbtöne und die sich nach oben hin verjüngenden zahlreichen Innensäulen, die sich unter dem hohen Dach aufgliedern, sollen dem Menschen das Gefühl geben, in einem Wald zu stehen:

Innenraum des Kirchenschiffs

Die Touristenführerin war wirklich gut. Obwohl im Grunde solche Rundgänge kritisch betrachte, war es für dieses Bauwerk lohnenswert, zumal sie ihren Vortrag sehr interessant gestaltete. Nachdem wir uns als Gruppe durch die Menschen im Innenraum hindurchgewunden hatten, endete die Tour vor der Nordwand mit Verweis auf das Museum, das wir im Anschluss nochmals auf eigene Faust besichtigen durften. Den Abend beschloss ich mit der spanischen Spezialität „Paella“:

Die Nordwand – Außenfassade
Zeitstrahl der involvierten Architekten

Um meine Sinne mit touristischen Highlights schlussendlich zu überfüllen, machte ich am Vormittag des nächsten Tages auf, um den „Park Güell“ zu besichtigen. Dieser Park wurde ebenfalls von Gaudi entworfen, weshalb er manchmal auch „Gaudi Park“ genannt wird. Es handelt sich dabei um eine Grünanlage am Stadtrand, in welchem verschiedene künstlerische Bauwerke des Architekten stehen. Den Nachmittag ließ ich an der Strandpromenade ausklingen:

Um meinen Barcelona-Aufenthalt möglichst echt und vollumfassend zu gestalten, musste ich, als ich gegen Abend zum Auto lief, um ein paar Dinge für meine Abreise vorzubereiten, zu meiner Bestürzung feststellen, dass man Sybille um eine Autoscheibe und mich um einige Habseligkeiten beraubte:

Da ich den ganzen Tag bereits auf Achse und dementsprechend ausgelaugt war, überforderte mich die Situation wirklich. Ausgerechnet einen Tag vor Abreise musste das geschehen! Mit telefonischem Beistand durch meinen Hilfs-Engel schaffte ich es, das Auto an einen halbwegs sicheren Ort abzustellen, und einfach nur hoffen konnte, dass das Auto, wenn ich es am nächsten Tag wieder aufsuchen würde, nicht noch leergeräumter war. Da ich am nächsten Tag wieder einige Autostunden auf der Autobahn verbringen würde, musste ich mir aber noch was für die Scheibe einfallen lassen. Und so schwang ich mich mit dem letzten Funken Energie für den Tag nochmal auf’s Rad, um an einem Samstagabend einen spanischen „Baumarkt“ in der Innenstadt aufzusuchen.

Die Heimat ruft!

Mein Wecker klingelte sehr früh, da ich beide Fahrräder zum Auto bringen, das Fenster flicken, das Auto richten, aus dem Hostel auschecken, Proviant einkaufen und meinen Mitfahrer aufgabeln musste. Das Licht am Ende des Tunnels war dabei, dass die nächste Etappe mich von Barcelona nach Norditalien führen würde, wo meine Tante, mein Onkel und eine Cousine von mir lebten und wo ich für ein paar Tage Energie tanken konnte. Es roch also nach einem Stückchen Heimat, als ich ins Auto stieg und losfuhr.

Mein Mitfahrer war ein junger Marokkaner, der in Cannes lebt und gerade von Marokko zurück nach Cannes reiste. Er war ein wirklich entspannter und cooler Zeitgenosse, der jedoch etwas wenig Schlaf mitbrachte, weshalb er einige Zeit während der Fahrt schlief. Dafür löste er mich die letzten anderthalb Stunden bis nach Cannes ab. Erst spät abends erreichten wir Cannes und bis ich an Nizza vorbei in Vallecrosia, Italien, ankam, verging nochmals gut eine Stunde. Ermattet bis unter den Scheitel erreichte ich das norditalienische Örtchen, wo mich meine Tante, die ich seit gut 10 Jahren nicht mehr gesehen hatte, schon sehnsüchtig erwartete. Die nächsten Tage wurde ich nach besten italienischen Maßstäben verwöhnt.

Da die Autoscheibe immer noch zertrümmert war, habe ich die ersten beiden Tag zunächst damit zugebracht, herumzutelefonieren und anschließend nach Nizza zu Carglass zufahren, um erneut festzustellen, dass in Frankreich niemand Englisch spricht, was meine Unternehmung nervenaufreibender gestaltete, als es hätte sein müssen. Dort setzte man mir ein Plexiglasprovisorium ein, mit dem ich bis nach Deutschland fahren konnte. Daneben wurde sehr ausgiebig gespeist und entspannt. Außerdem nutzte ich mein Fahrrad, um die Südküste des Thyrrenischen Meers etwas zu erkunden. Vallecrosia liegt direkt hinter der französischen Grenze zwischen Nizza und Sanremo am Meer. Und so fuhr ich eines sonnigen Tages mit dem Rad eine berühmte Küstenstrecke bis nach Sanremo und zurück, nahm ein Bad im noch recht frischen Meer und tat alles, um mich für den finalen Ritt nachhause geistig vorzubereiten.

Mit dem Ziel Trasadingen ging es Richtung Genua, über Mailand durch den Gotthard-Tunnel nach Zürich. Aus der geplanten 8-stündigen Fahrt wurden über 12 Autostunden, da ich noch vor Genua in einen massiven Stau geriet. Schließlich und endlich kam ich um halb 9 abends bei meiner Mutter wie ein wandelnder Zombie an. Nach nur zwei Tagen machte ich mich direkt auf nach Freiburg. Noch vor wenigen Tagen in Portugal mit kurzer Hose und T-Shirt im Grünen fuhr ich nun über den Schwarzwald nach Freiburg und erlebte ein sehr unangenehmes Schneegestöber, in dem ich mich mit Sybille mehr rutschend als fahrend über die kurvigen Sträßchen von Ort zu schob, bis ich endlich, endlich Freiburg erreichte.

Meine Mission „Rückfahrt“ endete am darauffolgenden Tag, als ich nochmals zu Carglass-Deutschland fahren musste, um die Plexiglasscheibe durch eine richtige Autoscheibe ersetzen zu lassen. Schließlich und endlich ließ ich Sybille ihre verdiente Ruhe, nachdem ich sie von der Werkstatt abgeholt hatte. Die Rückreise von Portugal, durch Spanien und Frankreich nach Italien, und schließlich über die Schweiz nach Deutschland war geglückt! In etwa 10 Tagen war ich durch 6 Länder gereist und habe insgesamt fast 2.800 Kilometer zurückgelegt.
Was für ein Abenteuer!

Ende des Reisetagebuchs.


Nun ist Mitte März und noch immer bin ich aus verschiedenen Gründen im Reisemodus und kann somit meinen Wiedereinstieg in die Gesellschaft gut durchdenken. All die Eindrücke und Erfahrungen sind hier nun in stark kondensierter, erzählerischer Form niedergelegt. Was darüber hinaus an Erkenntnissen erwachsen ist, werde ich in kommenden Beiträgen verarbeiten!


von Marco Lo Voi

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