Das Judentum – Eine Einführung

Eine kriegerische, blutige, entbehrungsreiche und alte Geschichte liegt dem Judentum zugrunde. Rebellion und Entsagung bildeten den Ausgangspunkt des jüdischen Glaubens, dessen monotheistischer Grundbaustein zum Vorfahren des späteren Christentums und des noch jüngeren Islams wurde. Es folgt eine knappe Abhandlung zur Geschichte, Traditionen und Glaubensgrundsätzen, die den Fokus auf die Ursprünge dieser Weltreligion setzt.*

I. Die Geschichte des Judentums

Als historische Grundlage wird vor allem auf die jüdische Bibel zurückgegriffen, auf die der Autor später näher eingeht. Der Ursprung, wenn man die Wurzel greifen möchte, wird im Stammesvater Abram (später Abraham) gesehen, der vom jüdischen Gott (Jahwe) höchstselbst erwählt wurde. (1. Mos. 12, 1-f)

Er sollte mit seiner Frau Sarai von Ur nach Haran (nahe des Euphrats, östlich von Ägypten) gehen, um dort einen neuen Stamm zu gründen. Trotz Alter und Gebrechlichkeit zog Abraham also mit Sarai (später Sara) und seinen Nebenfrauen, samt Hab und Gut aus – und tatsächlich, nach einem Vierteljahrhundert gebar ihm seine Frau den lang ersehnten Isaak.

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Der Exodus

Das Volk Abrahams lebte zunächst in relativer Toleranz neben dem Volk der Ägypter, jedoch währte dies nicht ewig. In der 18. Dynastie der Ägypter gerieten die Israeliten in die Versklavung durch das ägyptische Reich.

In nicht unmenschlichen Verhältnissen durften die Israeliten in beschränkter Freiheit ihren Glaubensriten nachgehen, solange sie ihre Arbeit verrichteten. Also nun jedoch Mose auf den Plan trat, änderten sich die Geschicke des Sklavenvolks. Als Gelehrter und mit familiärer Nähe zum Königshaus des Pharaos wurde er von Gott erwählt, das Volk aus der Gefangenschaft zu führen. (2. Mos. 3, 1-ff)

Es folgte die dramatische Geschichte mit den „Zehn Plagen“, die den Pharao dazu zwang, den Israeliten die Freiheit zu schenken (ca. 1300 v. Chr.). Mit ihnen wanderte er fast vierzig Jahre durch die Wüste, bis Mose an den Berg Horeb gelangte, wo er die „Zehn Gebote“ empfing. Dies gab dem entkräfteten Volk wieder Mut und so erreichten sie schließlich das „Gelobte Land“ (Kanaan), das sie jedoch bevölkert vorfanden.

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Die Landnahme

Von ihrem göttlichen Recht Gebrauch machend, stürzten sie sich in große kriegerische Auseinandersetzungen, die sie, so die Bibel, nur durch Gottes Beistand für sich entscheiden konnten. Es entstanden die Urstämme Israels, die getrennt voneinander im Gebiet des „Heiligen Landes“ lebten.

Ständiger Bedrohung ausgesetzt, musste sich die Israeliten viele Jahre gegen die militärisch überlegenen Philister erwehren, die erst unter König David (ca. 1000 v. Chr.), der die Zwölf Stämme vereinte, besiegt werden konnten. Er war es auch, der Jerusalem eroberte.

Die Diaspora

Schließlich war es das römische Imperium, das das ohnehin zerstreute Judentum um etwa 70 n. Chr. mit der Eroberung Jerusalems vollends in die Diaspora (Zerstreuung) trieb. Unter der christlichen Herrschaft wurde 135 n. Chr. ein letzter Versuch unternommen, sich zu erwehren, doch mit dieser Niederlage wurden jegliche Versuche, das Judentum wieder zu verbreiten, unter schwerste Strafen, bis hin zum Todesurteil gestellt.

Seitdem lebt das Volk der Juden verteilt auf der ganzen Welt in periodischer Verfolgung, die im Zweiten Weltkrieg gipfelte. Am 14. Mai 1948 wurde der offizielle „Jüdische Gottestaat“ Israel ausgerufen, nachdem der UN-Beschluss mit einer knappen Mehrheit erfolgte. Die Landnahme, die bewaffnet und gewaltsam ablief, mündete in neue kriegerische Auseinandersetzungen mit den dort noch ansässigen Palästinensern. Zu den genauen Vorgängen in den Gründungsjahren gibt es verschiedene Meinungen und Haltungen, die je nach politischer Ausrichtung variieren. Dieser Konflikt spaltet den Orient seit jeher und gilt für viele Wissenschaftlicher als Mutterkonflikt des Nahen Ostens.

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II. Die Heilige Schrift und der Talmud

Wie allgemein bekannt, ist das „Alte Testament“ die Bibel der Juden, das zudem wesentlich umfangreicher ist als der zweite Teil der Bibel. Wie die Einteilung des „Alten Testaments“ aus Sicht des jüdischen Glaubens zu verstehen ist, wissen oftmals nur Bibelkundige.

Die zugrundeliegende „Heilige Schrift“ besteht lediglich aus den ersten fünf Büchern Mose und wird „Thora“ genannt. Mose soll diese Worte direkt von Gott übernommen haben, zugleich waren sie die wichtigste Quelle des jüdischen Glaubens. Aus ihr bezogen die Völker ihre Kraft, weshalb dies die zentrale Reliquie für die Juden bildet.

Die jüdische Bibel wird durch die „Prophetischen Bücher“, die drei poetischen Schriften, die fünf Rollen und die drei geschichtlichen Schriften ergänzt. Die Autoren dieser ergänzenden Werke seien jedoch lediglich vom „Geiste Gottes“ erfüllt gewesen sein. Folglich seien diese Worte also nicht direkter Ausdruck Gottes Wort.

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Der Talmud

Was nun ist der „Talmud“? Der Titel bedeutet „Das Lernen“ und ist ein umfangreiches Sammelwerk, welches aus zwei Abteilungen besteht. Die „Rabbiner“, die geistlichen Gelehrten und Oberhäupter der Juden, erkannten, wie sich die jüdische Gemeinschaft wandelte, so sahen sie die Notwendigkeit, die jüdische Bibel in eine zeitgemäße Form zu bringen, um dies als eine Art Begleitlektüre den Anhängern mitzugeben.

Rabbi Jehuda Hanassi (gestorben ca. 200. n. Chr., Patriarch Galiläas) sammelte alle mündlich tradierten gesetzlichen Lehrsätze, fasste sie zusammen, analysierte, kommentierte und erweiterte sie, woraus ein gewaltiges Kompendium erwachsen war, was als erster Bestandteil des Talmuds gilt und „Mischna“ heißt.

Der zweite Teil besteht aus dokumentierten Gelehrtendiskussionen und theologischen Protokollen, die verschiedentliches Wissen aus allen Disziplinen der Wissenschaften zur und über die Mischna beitragen und zusammenfassend als „Gemara“ bezeichnet werden.

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III. Die jüdische Lehre und ihre Zeitrechnung

Aus heutiger europäischer Sicht erscheint dies als selbstverständlich, doch zur Zeit der Begründung des jüdischen Glaubens war eine monotheistische Weltanschauung eine Neuheit. In den Weiten der arabischen Länder herrschten Kulte der Vielgötterei und des Götzentums, wovon sich das Judentum strikt abgrenzen möchte, denn Jahwe ist ein „eifersüchtiger Gott“.

Zunächst wurde er als der ewige Erhalter angesehen, der Liebe für alles von ihm geschaffene Leben hat. Dies wandelte sich jedoch im Laufe der Zeit, es ethisierte sich zunehmend, bis er schließlich zum „Lenker der Völkerschicksale und Menschengeschichte“ wurde und sein Reich auf Erden verwirklichen soll.

Der Wandel des Gotteskonzepts

Kein Abbild Gottes ist gestattet, auch sein Name darf nicht genannt werden, denn die Juden leben in Ehrfurcht vor ihrem Erschaffer und Richter, dem man zuschrieb, dass er die guten Menschen noch im Leben belohne und die Schlechten strafe. Als sich die Gegenbeispiele häuften, wie Menschen gerade die Bösartigsten unter ihnen in Reichtümern schwelgen sahen, entstand die Sehnsucht nach Gerechtigkeit, was sich in der Vorstellung von Fegefeuer und Vergeltung manifestierte.

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Neben Gott selbst entstand der Gedanke von einem weltlichen Repräsentanten Gottes, dem „Messias“ (Gesalbter; griech.: christos), der anfangs in den Königen und Hohepriestern Israels gesehen wurde. Es kam jedoch die Sehnsucht nach einem idealen König aus Davids Haus auf, wie Jesaja ihn weisgesagt hat. (Jes. 11, 1-10)

Er soll die Fremdherrschaft endlich beenden und die Welt in ihren paradiesischen Urzustand zurückversetzen.

Die Bitte nach dem Erscheinen dieses Erlösers ist in das jüdische Gebet eingegangen und bildet heute einen Eckpfeiler des Judentums. Für die Juden war Jesus Christus nicht der Messias, weshalb sie bis heute auf ihre Erlösung warten, jedoch betrachten sie die zugrundeliegende Notwendigkeit Christi anders als die Christen.

Die Ursünde

Trotz der Ursünde Adams und Evas ist in der Lehre des Judentums der Mensch als solcher nicht sündhaft, erbt also die Schuld nicht von Geburt an, wodurch das Werk Christi, der ja die Christen von dieser Erbschuld erlöst habe, in ihren Augen hinfällig wird. Sie sind also bei der Geburt unbefleckt und bei ihrem Ableben, sofern sie stets gut im Glauben gelebt haben, erstehen sie wieder auf von den Toten, wenn Gott es geschehen lässt.

Aus diesem Grunde betet ein gläubiger Jude dreimal täglich im eigenen Haus in Richtung Jerusalem und an Feiertagen noch einmal gesondert. Die wichtigsten Gebete sind das „Achtzehngebet“ (schemon essre) und das „Bekenntnisgebet“ (sch’ma Jisrael). Beim Gebet trägt der Betende üblicherweise den „Tefillin“, ein ledernes Gehäuse mit Thora-Ausschnitten darin, morgens den „Tallit“, eine Art Mantel und unter der Kleidung noch eine kleinere Version davon. Außerdem muss beim Gottesdienst das Haupt stets bedeckt sein, allerdings variieren diese Konventionen in den verschiedenen jüdischen Gemeinden.

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Der jüdische Kalender

Die jüdische Zeitrechnung datiert die Entstehung der Welt auf das Jahr 3761 v. Chr. und richtet ihren Festtageskalender danach. Zentral ist hierbei der siebente Tag der Woche, der Sabbat, der nach der jüdischen Woche auf unseren Samstag fällt. Dieser wird bereits Freitag aufwendig vorbereitet, da am Sabbat selbst jede Arbeit zu unterlassen ist. Es wird also Freitagvormittag gekocht, geschmückt und hergerichtet, nachmittags reinigt man sich, der Familienvater geht in die Synagoge, während die Familie das Mahl serviert.

Freitagabend findet das Sabbatmahl statt, da in der jüdischen Zeitrechnung der neue Tag mit dem Abend des alten anbricht. Am Samstag, also dem Sabbat selbst, werden Besuche bei Familie und in der Synagoge gemacht, wo man sich mit der jüdischen Lehre befasst, zudem herrscht ein „Reiseverbot“, was dem Gläubigen verbietet die Stadtgrenze um 1000 Meter zu überschreiten.

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Das jüdische Neujahrsfest wird im Herbst gefeiert, da dann in Jerusalem der langersehnte Regen nach der Dürre einsetzt. Neben anderen Festtagen sollen zwei hier noch Erwähnung finden. Das Passahfest (Pessach) soll an den Auszug aus Ägypten erinnern, dessen eigentlichem Festtag zwei Abende häuslichen Gottesdiensts vorangehen. Am Passahfest selbst wird die Geschichte des Auszugs verlesen, während symbolhafte Speisen verteilt und gemeinsam verzehrt werden.

Das „Tempelweihfest“ (Chanukka) geht auf die Geschichte der Reinigung des Tempels in Jerusalem (165 v. Chr.) zurück, der von Seleukide Antiochius entweiht wurde. Bei der Reinigung habe man ein letztes Ölkännchen mit nicht entweihtem Öl gefunden, das noch acht Tage brannte, bis neues hergestellt werden konnte. Aus diesem Grund wird Chanukka acht Tage lang gefeiert und an jedem Tag ein neues Licht am Chanukka-Leuchter entzündet, welcher nicht mit der Menora verwechselt werden sollte. Während die Lichter des Chanukka-Leuchters brennen, ist das Arbeiten ebenfalls verboten.

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Abschließend erfolgt ein kurzer Exkurs zum Begriff „Israel“:

Der Name „Israel“ geht auf eine biblische Geschichte zurück, die im ersten Buch Mose Kapitel 32 Vers 22 bis 31 erzählt wird.

Dort heißt es, dass Jakob, der Sohn Isaaks, Sohn des Abraham, nach der Überquerung des Jabbok (Nahr ez Zarqa; mündet in den Jordan) in stockfinsterer Nacht mit einem „Mann“ gerungen habe, bis der Morgen nahte, doch erkennen konnte Jakob dieses „Wesen“ nicht.

Keiner konnte den anderen bezwingen, da verrenkten sich die Hüftgelenke der beiden miteinander (?) und der „Mann“ hielt Jakob an, ihn gehen zu lassen. Jakob wollte sich jedoch erst von diesem „Wesen“ segnen lassen, so fragte der „Mann“ Jakob nach seinem Namen, worauf er mit „Jakob“ antwortete. Der „Mann“ gab ihm darauf einen neuen Namen der da lautete „Israel“, denn er habe mit den Menschen und mit Gott gekämpft und obsiegte.

„Und Jakob fragte ihn und sprach: Sage doch, wie heißest du? Er aber sprach: Warum fragst du, wie ich heiße? Und er segnete ihn daselbst.“ (1. Mose 32, 30)


*Alle Informationen stammen aus: Gamm, Hans-Jochen: „Das Judentum“. Eine Einführung. Lit. Verlag Dr. W. Hopf, Berlin 2011.
Und natürlich aus der Heiligen Schrift selbst. (Nach der Übersetzung M. Luthers)


von Marco Lo Voi

3 Gedanken zu “Das Judentum – Eine Einführung

  1. Lieber Herr Lo Voi, ich möchte sie noch einmal darauf hinweisen, dass Israel kein Gottesstaat ist. Ja, Israel ist ein jüdischer Staat, jedoch gewährt er seinen Bürgern die Religionsfreiheit und hat ein weltliches Recht. Organisationen wie ‚Kach und Kahane Chai‘ wurden in Israel für illegal erklärt, da sie einen jüdischen Gottesstaat errichten wollen. Schon in der Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel vom 14. Mai 1948 heißt es: „er [der Staat Israel] wird volle soziale und politische Gleichberechtigung aller Bürger ohne Unterschied der Religion, der Rasse und des Geschlechts gewähren“

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    • Siehe meinen Antwortkommentar auf: https://exploring-roots.com/2018/05/24/krieg-der-worte-teil-3-antisemitismus/

      In Kürze:
      Es ist natürlich richtig, dass dies so in Verfassung festgehalten ist. Allerdings muss man zwischen geschriebenem Recht und sozialer Realität unterscheiden. Beides steht leider nicht immer im Einklang.

      Zu dem Ausdruck „Gottesstaat“:
      Diesen Begriff verwende ich, da der Staat Israel sich auf sein biblisches Recht beruft, das Land, auf dem der junge Staat gegründet wurde, von Gott selbst zugeteilt bekommen zu haben. Erst jüngst hat Netanjahu dies erneut angeführt (https://www.youtube.com/watch?v=vnEBWdd6ei4). Die jüdische Bevölkerung hätte ein Recht auf dieses Land, weil die Juden „schon immer“ da gelebt hätten, was impliziert, dass Sie die biblische Zeitrechnung als absolut annehmen und damit in einem konversativ-religiösen Rahmen argumentieren, was vor allem im „aufgeklärten“ Westen ja eigentlich für großes Stirnrunzeln sorgen sollte.

      Doch genug der langatmigen Erklärungen.

      Viele Grüße,
      Marco

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      • Sie ignorieren die soziale Realität in Israel und können scheinbar nicht einschätzen wann es sich bei einem Staat um einen demokratischen Rechtsstaat oder um eine Theokratie handelt.

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